Süddeutsche Zeitung

Neue "Stern"-Chefredaktion:Die Zeit der journalistischen Leitfiguren ist vorbei

  • Christian Krug war seit Oktober 2014 Chefredakteur des Stern. Am Dienstag verkündete Gruner + Jahr, dass er das Magazin verlassen wird.
  • Auf Krug folgen als Doppelspitze die bisherige Stern.de-Chefin Anna-Beeke Gretemeier und der langjährige Ressortleiter Florian Gless.
  • Der Stern verlor zuletzt drastisch an Auflage: Ende Oktober verkauften sich von Nummer 44 nur noch 123 000 Exemplare.

Von David Pfeifer

Chefredakteur kann ein ziemlich übler Posten sein. Die Dinge, die gut laufen, verlangen kaum Beachtung, aber alles, was schiefläuft, muss irgendwie bearbeitet werden. Diese Redakteurin will nicht neben jenem Kollegen sitzen, die Print-Leute behandeln die Online-Leute wie Kindersoldaten, die Onliner finden die Printler wiederum arrogant, die ganze Redaktion ist sowieso nur am Jammern - und dann wird man irgendwann auch noch gefeuert. So erging es im Herbst 2014 Wolfgang Büchner vom Spiegel und Dominik Wichmann beim Stern . Und so wiederholt es sich jetzt im Jahr 2018: Nachdem Büchner-Nachfolger Klaus Brinkbäumer beim Spiegel durch ein Dreierteam ausgetauscht wurde, wird nun Christian Krug beim Stern durch eine Doppelspitze ersetzt. In beiden Fällen wurden keine preisbehangenen Branchenstars angeheuert, sondern Redaktionsmanager, die wissen, was die Zeiten verlangen. Vernetzen, digitalisieren, mit demselben Personal so tun, als werde alles erneuert.

Am Dienstagvormittag wurde die Redaktion des Stern zusammengerufen, um ihr zu verkünden, was die Mitarbeiter wohl seit Längerem ahnten. Chefredakteur Krug wird das Blatt verlassen. Auch für Krug selber kann die Meldung nicht überraschend gekommen sein, der Verlag verschickte gleichzeitig eine Mitteilung, in der er zitiert wird: "Ich blicke mit großer Dankbarkeit auf die Zeit beim Stern zurück." Krug soll bei Gruner + Jahr neue Geschäftsfelder "entdecken, entwickeln und fördern", so der Verlag.

Christian Krug, 52, war ein Stern-Gewächs, als Sohn des Ressortleiters Gerd Krug und Stiefsohn der Autorin Birgit Lahann kannte er das Blatt von Kindesbeinen an als Mythos, allerdings aus einer Zeit vor den "Hitler-Tagebüchern", und lange vor der Erfindung des Internets. Stern-Chefredakteure schmissen das Geld zum Fenster raus, damit gute Geschichten zur Tür reinkamen. Die Männer der Führungsetage gingen über den Flur, als würden sie breitbeinig durch den Saloon laufen.

Innerhalb des Stern blieb Krug vielen Redakteuren fremd

Krug wurde Anfang der Neunzigerjahre Redakteur beim Stern, schließlich Ressortleiter. Er wechselte zur Milchstraße, und als der Verleger Dirk Manthey an Burda verkaufte, wurde Krug üppig abgefunden. Er kehrte zu G + J zurück, verantwortete Kundenmagazine, wurde Chefredakteur der Gala und schließlich vom Stern. Für ihn hat sich damit vermutlich ein Traum erfüllt, allerdings in Zeiten, in denen Chefredakteure zu Managern werden, die den sogenannten Wandel gestalten sollen. Es wird weniger über Geschichten als über Content gesprochen. G + J-Vorstandschefin Julia Jäkel verkündete 2013 die Transformation vom "Zeitschriftenhaus in ein Inhaltehaus".

Für einen Chefredakteur vom alten Schlag, der das Blatt im Alltag von seinem Stellvertreter machen lässt, selber lieber die großen Linien vorgibt und das Editorial schreibt, sind das eher ungemütliche Bedingungen. Auch hatte man beim Stern zuletzt nicht das Gefühl, es gebe viel Exklusives zu vermarkten. Krug selber punktete Anfang 2017 immerhin mit einem Interview mit Sigmar Gabriel, in dem dieser seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur verkündete. Innerhalb des Stern blieb Krug vielen Redakteuren fremd. Ein Buch über Island, das Krug für den Verlag machte, sorgte in der Redaktion wohl für den Eindruck, der Chef interessiere sich nicht mehr ausreichend für sein Heft. Gleichzeitig ging natürlich auch unter Krug die Auflage runter, wie bei nahezu allen Magazinen. Der Stern verlor nur besonders drastisch. Ende Oktober verkauften sich von Nummer 43 und 44 am Kiosk nur noch 127 000 beziehungsweise 123 000 Stück. Ob man das alleine dem Chefredakteur anlasten kann? Es ist wie beim Fußball: Immer muss der Trainer gehen, nie die Vereinsführung.

Die Nachfolger sind mehr Transformatoren als Leitfiguren

Der stellvertretende Chefredakteur Giuseppe di Grazia hatte nebenbei das erfolgreiche Schwesterprodukt Crime entwickelt. Crime ist, wie das Hirschhausen-Gesundheitsmagazin und andere, vor Kurzem in die Stern-Markenfamilie eingemeindet worden. Gelegentlich fragte man sich als geneigter Beobachter, warum diese Themengebiete nicht im Stern selbst gestärkt werden, aber immerhin sind das Konzepte, die die Menschen interessierten. Und sie wurden stark von Einzelnen getragen - von denen, die als Macher dahinterstanden, und jenen, deren Persönlichkeiten das Konzept lieferten.

Beim Spiegel leiten nun Steffen Klusmann, ehemaliger Chefredakteur des Manager Magazins, die Spiegel-Online-Chefin Barbara Hans und der Reporter Ullrich Fichtner die Geschäfte. Beim Stern folgen auf Krug nun die Stern.de-Chefin Anna-Beeke Gretemeier und Florian Gless, ebenfalls ein altgedienter Stern-Mann.

Für Krugs Nachfolge hatte der Verlag wohl eine Weile nach sogenannten starken Charakteren gesucht, die nicht nur mit Kompetenz, sondern auch mit Verve eine Art Vorbildfunktion ausfüllen könnten. So wie man sich halt früher Chefredakteure vorstellte. Die Entscheidung fiel am Ende für kluge Profis, die sich weniger als Leitfiguren gerieren, sondern mehr als Transformatoren, die zwischen Verlag und Redaktion sowie Print und Online Verbindungen herstellen können. Ob sie auch zwischen Inhalten und Lesern eine direkte Verbindung herstellen oder gar ein Begehren auslösen können, muss sich in allen Fällen erst beweisen.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2018/jmau
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