Pressefreiheit:"Stand News" in Hongkong schließt nach Razzia

Pressefreiheit: Der stellvertretende Chefredakteur von "Stand News", Patrick Lam (Mitte), wird am 29. Dezember von Polizeibeamten in Hongkong verhaftet. Die nationale Sicherheitspolizei hat weitere führende Mitarbeiter der Online-Publikation festgenommen.

Der stellvertretende Chefredakteur von "Stand News", Patrick Lam (Mitte), wird am 29. Dezember von Polizeibeamten in Hongkong verhaftet. Die nationale Sicherheitspolizei hat weitere führende Mitarbeiter der Online-Publikation festgenommen.

(Foto: Vincent Yu/dpa)

Vorstandsmitglieder und leitende Redakteure des pro-demokratischen Nachrichtenportals verhaftet.

Nach einer Razzia von Sicherheitskräften und der Verhaftung leitender Mitarbeiter hat das Online-Nachrichtenportal Stand News sein Aus erklärt, eines der letzten prodemokratischen Medienunternehmen in Hongkong. "Stand News stellt jetzt den Betrieb ein", hieß es am Mittwoch in einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung des Portals, alle Mitarbeiter seien entlassen worden. Zuvor hatten Sicherheitskräfte die Büroräume durchsucht, Vermögenswerte eingefroren und sieben Aktivisten festgenommen. Ihnen werden "aufrührerische Veröffentlichungen" vorgeworfen. Mehr als 200 uniformierte und zivile Polizeibeamte waren im Einsatz, wie die Polizei mitteilte. Auf Basis eines Durchsuchungsbefehls sei "relevantes journalistisches Material" beschlagnahmt worden.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei den Festgenommenen um ehemalige Vorstandsmitglieder von Stand News, darunter die ehemalige demokratische Abgeordnete Margaret Ng und die Popsängerin Denise Ho. Ebenfalls festgenommen wurden demnach der ehemalige Chefredakteur Chung Pui Kuen und der stellvertretende Chefredakteur Patrick Lam. Stand News habe Nachrichten und Kommentare veröffentlicht, die zum Hass gegen die Behörden aufstacheln, begründete der Leiter der nationalen Sicherheitsabteilung der Polizei, Steve Li, das Vorgehen. Die Polizei habe Vermögenswerte über umgerechnet etwa sieben Millionen Euro sowie Computer, Telefone und journalistisches Material beschlagnahmt. Weitere Festnahmen seien nicht ausgeschlossen. "Wir zielen nicht auf Reporter ab. Wir zielen auf Verstöße gegen die nationale Sicherheit ab", sagte Li.

Die Razzia gibt weiteren Anlass zur Sorge über schwindende Rechte und Freiheiten in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Das 2020 von der Regierung in Peking erlassene Gesetz zur nationalen Sicherheit gilt als massiver Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. Westliche Staaten werfen China vor, Bürgerrechte in Hongkong auszuhöhlen und die Demokratie-Bewegung mundtot machen zu wollen. Steven Butler, Asien-Koordinator des Komitees zum Schutz von Journalisten, bezeichnete die Polizeiaktion als "offenen Angriff auf die ohnehin schon zerrüttete Pressefreiheit in Hongkong".

Pressefreiheit: Polizei vor dem Bürogebäude in Hongkong, in dem die Redaktion von "Stand News" ihren Sitz hat.

Polizei vor dem Bürogebäude in Hongkong, in dem die Redaktion von "Stand News" ihren Sitz hat.

(Foto: TYRONE SIU/REUTERS)

Stand News, das 2014 als gemeinnützige Organisation gegründet wurde, war zuletzt die bekannteste verbliebene prodemokratische Publikation in Hongkong. Zuvor war beim Vorgehen gegen die Demokratiebewegung unter anderem bereits die Boulevardzeitung Apple Daily des inhaftierten Tycoons Jimmy Lai geschlossen worden. Das Büro von Stand News in einem Industriegebäude im Arbeiterviertel Kwun Tong sei von Dutzenden Polizisten abgeriegelt worden, berichtete ein Reuters-Reporter. Stand News veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie die Polizei am Wohnsitz des stellvertretenden Redaktionsleiters und Vorsitzenden der Hongkonger Journalistenvereinigung, Ronson Chan, eintrifft. "Die Anklage lautete auf Verschwörung zur Veröffentlichung aufrührerischer Publikationen. Dies ist der Haftbefehl", sagt ein Polizist auf dem Video. Aufwiegelung ist nach dem umfassenden Gesetz zur nationalen Sicherheit kein Verbrechen. Jüngste Gerichtsurteile haben den Behörden jedoch die Möglichkeit gegeben, die durch das neue Gesetz verliehenen Befugnisse zu nutzen, um zuvor kaum genutzte Verordnungen aus der Kolonialzeit anzuwenden, die Aufwiegelung abdecken.

Die Bundesregierung verurteilt die Verhaftungen bei Stand News als harten Schlag gegen die Demokratiebewegung in der chinesischen Sonderverwaltungszone. "Die Vorgänge illustrieren aus unserer Sicht aufs Neue, dass es eine stetige Erosion gibt von Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong - insbesondere seit Inkrafttreten dieses nationalen Sicherheitsgesetzes", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin.

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