Die Frage war nicht wirklich originell, aber so schlecht war sie auch nicht:
Herr Diekmann, was bleibt, wenn Sie mal nicht mehr Bild-Chefredakteur sind?
Antwort: "Das müssen Sie mich in zwanzig Jahren fragen, wenn es so weit ist."
Das ist ein Auszug aus einem Interview, das die Süddeutsche Zeitung vor fünf Jahren mit Kai Diekmann führte. Der heute 51-Jährige war schon damals der dienstälteste Bild-Chefredakteur. Er ließ seine Vorgänger wie Peter Boenisch oder Günter Prinz hinter sich.
Nun sind es doch keine zwanzig Jahre mehr geworden. Der Springer-Verlag teilte am Donnerstag mit, dass Diekmann zum Jahreswechsel als Chefredakteur aufhöre und dann Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe werde. Ein Über-Chef mit Weisungsbefugnis. Chefredakteure sollen nicht mehr an den Verleger Mathias Döpfner berichten, sondern an Diekmann.
"Befördert" oder "weggelobt"?
Wurde Diekmann jetzt "befördert" oder wurde er "weggelobt"? Diese Fragen wurden am Donnerstag in den sozialen Medien heiß diskutiert. Ansonsten gab es viel Beifall, weil Anfang Januar erstmals eine Frau an die Spitze des Boulevardblattes rücken soll: Tanit Koch, 38, derzeit stellvertretende Chefredakteurin und Unterhaltungschefin von Bild. Zwei Jahre lang war sie Büroleiterin von Diekmann.
Ist das eine Zäsur oder ein normaler Wechsel? Für die Alten wäre das früher schwer nachvollziehbar gewesen. Die Springer-Welt war einst eine Welt mit altdeutschen Herrenzimmern, kaltem Zigarrenrauch und gepolsterten Türen. Es war nett, dass es in dieser Welt auch Frauen gab, aber sie brachten meist den Kaffee.
Seit fünfzehn Jahren steht Diekmann an der Spitze des Boulevardblattes. Der Verlag und er hätten normalerweise im Dezember um weitere fünf Jahre verlängert. Das haben sich beide Seiten gespart.
Diekmann ist in Bielefeld aufgewachsen. Ein großer Einseifer, aber andererseits, wie manche Ostwestfalen, auch hart im Nehmen. Aber zwanzig Jahre Bild-Chefredakteur - das wäre sowohl für Springer als auch für ihn zu viel gewesen.
"Klar kann Bild mal einen Euro kosten"
Was hat sich in seiner Dienstzeit geändert? Die Zahlen zunächst: Die Print-Auflage lag bei seinem Amtsantritt bei 4,5 Millionen Exemplaren, inzwischen nähert sich das gedruckte Blatt der Zwei-Millionen-Grenze. Der Verkaufspreis stieg von 35 Cent im Jahr 2000 auf heute 80 Cent. "Klar kann Bild mal einen Euro kosten". Das hat Diekmann im SZ-Interview gesagt. Und digital ist Bild heute eine große Marke. Angeblich zahlen inzwischen 292 000 Leser für ein Digital-Abo. Im klassischen Mediengeschäft ist Bild die Milchkuh des Springer-Verlages geblieben. Es gibt Schätzungen, dass das Boulevardblatt dem Verlag im Jahr rund 250 Millionen Euro Gewinn bringt. Eine Bestätigung oder ein Dementi durch den Verlag gibt es für diese Zahl nicht.
Als Diekmann Anfang 2001 auf dem alten Dampfer Bild Chefredakteur wurde, war er ein sympathischer junger Mann mit geschliffenen Manieren. Höflich, nett. Inzwischen ist er immer noch höflich, aber auch äußerst geschickt. Jede Bewegung, jeder Satz ist gut überlegt. Er kennt alle Fragen, die man ihm stellen kann, im Voraus. Früher erklärte er bescheiden, dass Bild nur Trends verstärken könne. Heute trompetet er gern, dass das Boulevardblatt "in der gesellschaftlichen Mitte angekommen" und ein "echtes Leitmedium" geworden sei. Vertretergequatsche.
Bild ist Bild geblieben. Aber Diekmann ist ein anderer geworden. Als der Verlag im Mai 2012 den 100. Geburtstag von Axel Cäsar Springer feierte, soll der Verleger Mathias Döpfner mit Diekmann darüber philosophiert haben, was Axel Springer heute machen würde. Er würde ins Silicon Valley gehen, soll Döpfner gemeint haben.