Springer-Verlag über Alice Schwarzer:In der Großküche verwurstet

Alice Schwarzer

Die Bild schreibt exklusiv über die jüngsten Entwicklungen im Steuerfall Alice Schwarzer - die selbst für das Blatt tätig war.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

In der Causa Alice Schwarzer besuchen Steuerfahnder die "Bild"-Zentrale. Das Boulevardblatt berichtet daraufhin exklusiv über seine Autorin - und macht den Fall damit noch pikanter, als er ohnehin schon ist.

Von Hans Leyendecker

Die Bild-Zeitung erscheint bekanntlich im Springer-Verlag, und am Dienstag konnte das Boulevardblatt exklusiv eine Nachricht aus dem eigenen Haus vermelden: Steuerfahnder aus Köln seien "unangekündigt" in der Berliner Zentrale erschienen und hätten Mitarbeitern des Verlages Fragen zu der Autorentätigkeit von Alice Schwarzer für Bild gestellt.

Die Leute von der Steuer interessiert von Berufs wegen nie, ob die Geschichten lesbar oder ob sie furchtbar waren, sie treibt immer nur die Frage um, ob Honorare korrekt angegeben wurden oder nicht. Die Finanzbeamten, berichtete das Blatt, hätten bei Springer die angeforderten Unterlagen beschlagnahmt, und die Kölner Staatsanwaltschaft, die gegen Frau Schwarzer ermittelt, wolle zu alledem wegen des Steuergeheimnisses nichts sagen.

Es gibt vielerlei Arten von Enthüllungen - wichtige, sehr wichtige, komische oder eher unwichtige - und über diese Aufdeckung im Fall Schwarzer lässt sich zumindest sagen, dass sie offenbar auf sehr kurzem Weg zustande gekommen ist. Eine Nachricht aus dem eigenen Haus. Nichts schöner als solche Geschichten. Leider darf man sie normalerweise nie schreiben. Insbesondere wenn es um die eigenen Leute geht. Ausnahmen sind nur bei kriegerischen oder ähnlichen Auseinandersetzungen bei den Magazinen erlaubt.

Nun ist auch im Fall der Alice Schwarzer fast alles anders als in normalen Fällen.

Dass eine Journalistin, die ein Leben lang gegen Sexismus kämpft, für ein Boulevardblatt eintrat, war jedenfalls nicht alltäglich: "Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht", warb Schwarzer mal für Bild auf Großplakaten, und sie hat für das Blatt auch Kommentare verfasst. Auch gehört sie zu denen, die Friede Springer gut kennen; dennoch bewahrt sie das nicht vor der Verwurstung in der Großküche des Boulevards.

Steuerlich betrachtet ist die Angelegenheit allerdings gar kein so großer Fall, was die hinterzogene Summe angeht. Frau Schwarzer hatte viele Jahre dem Fiskus einen Schatz verschwiegen, den sie in der Schweiz verborgen hatte. Bei einer Zürcher Privatbank hatte sie ein Konto mit ein paar Millionen drauf. Ende 2013 machte sie eine Selbstanzeige und zahlte etwa 200 000 Euro Steuern nach. Die Summe war zu hoch. Ihr Berater hatte, was ratsam und üblich ist, einen Puffer eingebaut, damit die Selbstanzeige auch wirksam ist. Die Steuerschuld soll 86 000 Euro betragen, was vergleichsweise überschaubar ist.

In einer Reihe mit Hoeneß und Middelhoff

Seit sieben Monaten etwa gibt es auch den Verdacht, dass sie möglicherweise in den vergangenen Jahren nicht alle Honorare angegeben hat. Schwarzers Anwalt hat solche Vorwürfe dementiert. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Geheimnisverrats wegen der vielen Lecks im Fall Schwarzer wurde von der Kölner Staatsanwaltschaft eingestellt. Nun wird in fast jeder Rückschau auf die großen Steuerbetrüger des Jahres oder auf die wichtigsten Selbstanzeiger 2014 auch Alice Schwarzer erwähnt. Meist in Nachbarschaft zu Uli Hoeneß, der 28 Millionen Euro hinterzogen hat. Die Feministin ist für einen Teil der Medien und wohl auch für Teile des Publikums eine Art weiblicher Thomas Middelhoff.

An Selbstgerechtigkeit hat es ihr nie gefehlt und wohl auch manchem ihrer Gegner nicht. "Das Vorführen von selbstgerechten, niedrigen Gegnern, das macht mir Spaß", hat Alice Schwarzer mal in einem Fernsehinterview gesagt, und vermutlich hat sie das genauso gemeint. "Alice Schwarzer ist kein Opfer. Sie ist die reichste Feministin Deutschlands. Sie hat die Hybris der Reichen an den Tag gelegt. Und sie hat betrogen. Uns alle", schrieb die taz.

Als der Spiegel Anfang des Jahres die Selbstanzeige Schwarzers öffentlich machte (Focus lagen die Unterlagen auch vor, die schon geschriebene Geschichte erschien nicht), lamentierte Schwarzer über die "Denunzierung" und sprach von einem "Dammbruch" und von Rufmord. Jeder macht sich die Welt, die ihm gefällt.

Wenn Schwarzer, wovon nicht auszugehen ist, Honorare für ihre Bild-Schreiberei erhalten und nicht ordentlich versteuert hätte, wäre das in dieser Kombination schon sehr arg. Ansonsten geht es in ihrem Fall weiterhin darum, ob ihre Selbstanzeige zieht oder ob sie ungültig war. Die Selbstanzeige könnte ungültig sein, wenn Schwarzer dem Fiskus wirklich Einnahmen aus ihrer selbständigen Arbeit verschwiegen hätte. Für eine Haftstrafe wie im Fall Hoeneß wird das nie reichen, aber unangenehm ist das alles in vielerlei Hinsicht schon.

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