Sportübertragungen:Rollenspiele für Pyeongchang

12.12. 2017, Pressekonferenz und Fototermin, ARD und ZDF vor den XXIII. Olympischen Winterspielen im suedkoreanischen Pyeongchang 2018, im Radisson Blu Hotel, Berlin

So bunt ist Südkorea: Katrin Müller-Hohenstein wird das ZDF bei den Olympischen Spielen vertreten.

(Foto: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto)

ARD und ZDF zeigen nach der Einigung mit Eurosport 230 Stunden Berichte von Olympia. Sie müssen beides senden: Freude fürs Publikum und kritische Auseinandersetzung.

Von René Martens

Volker Herres, der Programmdirektor der ARD, wirkte am Dienstag in Berlin leicht aufgekratzt. "Wir wissen, dass Olympische Spiele ein Burner sind", sagte er, als ARD und ZDF ihr Programm für das Ereignis vorstellten, das vom 9. bis 25. Februar im südkoreanischen Pyeongchang stattfindet. Dass die beiden öffentlich-rechtlichen Häuser solche "Burner" zumindest bis 2024 überhaupt präsentieren können, ist für ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein "die persönliche Nachricht des Jahres 2017".

Zwischenzeitlich hatte man "die Sache verloren gegeben", so sagte es ZDF-Chefredakteur Peter Frey in Berlin - und das war kein Eindruck, der nur innerhalb der Sender vorgeherrscht hätte. Im November 2016 galten die Verhandlungen der Öffentlich-Rechtlichen mit dem Erstrechte-Inhaber Discovery Communications bereits als gescheitert. Der Konzern, der unter anderem die Sender der Eurosport-Gruppe betreibt, hatte Mitte 2015 die Europarechte an den vier Olympischen Spielen zwischen 2018 und 2024 für 1,3 Milliarden Euro vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) erworben - mit dem Ziel, einen Teil der Summe durch Sublizensierungen wieder reinzuholen. Mit ARD und ZDF konnte man sich zunächst aber nicht auf einen Kaufpreis einigen.

Gemessen an der notwendigen Vorbereitungszeit für die Spiele in Pyeongchang kam erst sehr spät eine Vereinbarung zustande: Am 11. August gaben ARD und ZDF bekannt, dass man sich doch verständigt hatte. "Sonst braucht man schon mal zwei Jahre Planungszeit", sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. ZDF-Olympia-Teamchef Thomas Fuhrmann ergänzte, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, sei eine "kleine, feine Crew" von ARD und ZDF schon im Juli in Pyeongchang gewesen, um sich die Sportstätten anzuschauen - obwohl die Verträge mit Discovery zu dem Zeitpunkt noch nicht unterschrieben waren.

Nun teilt man sich also die Rechte mit dem Sender Eurosport, und neben der Frage nach der genauen Verteilung der einzelnen Wettkämpfe auf die verschiedenen Sender steht natürlich auch die Frage nach der Rollenverteilung im Raum. Während Eurosport bereits vor zwei Wochen seine Werbekampagne zu den Spielen gestartet hat und begleitet vom Queen-Hit "I want it all" ganz klar und ausschließlich die schönen olympischen Seiten in den Vordergrund rückt, werden ARD und ZDF vor allem daran gemessen werden, neben aller Begeisterung für die teuer erworbenen Fernsehbilder auch kritisch über Probleme wie Doping zu berichten.

Das Versprechen von ARD/ZDF heißt Sparsamkeit - man will so eng wie noch nie kooperieren

In Berlin steht aber erst einmal etwas anderes im Zentrum: das große Versprechen der Sparsamkeit. ARD und ZDF arbeiten bei der 230-Stunden-Berichterstattung aus Südkorea nun "so eng zusammen wie niemals zuvor", betont man. Mit diesem Superlativ wartet man aber seit vielen Jahren vor jeder Sport-Großveranstaltung auf, die man gemeinsam präsentiert. Ein großer Teil der Arbeit findet dieses Mal im Sendezentrum in Leipzig statt, wo der für die ARD federführende Wintersportsender MDR sitzt. "Hinter den Kulissen sind wir eine Einheit", psalmodierte Volker Herres.

Laut dem Fachdienst Medienkorrespondenz haben ARD und ZDF für die Übertragungsrechte von vier Olympischen Spielen 221,5 Millionen Euro plus Mehrwertsteuer gezahlt. Die Sender nennen wie üblich keine Zahlen und begründen ihre mangelnde Auskunftsfreude mit vertraglichen Details. Zumindest ungefähre Angaben gibt es zu den Produktionskosten. Die lägen pro Sender "knapp unter" einem zweistelligen Millionenbetrag und etwas unter denen für die Spiele 2014 in Sotschi, so Peter Frey. Im Einsatz sind 330 Kollegen - wobei der Anteil der ARD-Leute wegen der Hörfunkmitarbeiter höher ist als der des ZDF.

ARD und ZDF berichten wie gewohnt im täglichen Wechsel und bieten zusätzlich zur Berichterstattung in ihren Hauptprogrammen und Spartenkanälen bis zu drei Live-Streams im Netz an. Das sind fünf weniger als bei den Winterspielen 2014. Inhaltlich einschränken müssen sich ARD und ZDF in der Live-Berichterstattung beim Eiskunstlauf, Shorttrack, Snowboard sowie beim Eishockey - hier können ARD und ZDF lediglich die Partien der beiden deutschen Mannschaften (Männer und Frauen) und die beiden Endspiele zeigen. Die übrigen Spiele zeigt Eurosport. Nachdem Discovery an den Verhandlungstisch zurückgekehrt sei, "waren ein paar Dinge notwendig, um den Vertrag zu schließen", sagt ZDF-Mann Fuhrmann. Diese Einschränkungen beträfen aber nur die Spiele in Pyeongchang.

Das gilt auch für die Zugeständnisse, die ARD und ZDF bei der Highlight-Berichterstattung machen mussten. Teil des Deals ist, dass diese in der Zeit zwischen 19 und 22 Uhr Eurosport vorbehalten ist. Von Belang ist das, weil die Wettbewerbe aus Pyeongchang zwischen 1 Uhr nachts deutscher Zeit und 17 Uhr am Nachmittag übertragen werden. Viele Wintersportfans, die weder die Möglichkeit haben, während der Live-Übertragungen vor dem Fernseher zu sitzen noch während der Arbeitszeit das Geschehen im Internet zu verfolgen, werden sich daher auf Zusammenfassungen in der Prime Time freuen.

Und wie sieht es nun aus mit kritischer Distanz zum Olympia-Wahnsinn? Im Bereich politische Dokumentationen plant die ARD, einen weiteren Film in der Dokumentations-Reihe Geheimsache Doping zu zeigen. Titel: "Das Olympia-Komplott. Der scheinheilige Kampf gegen den Sportbetrug." Von Klaus Scherer, für die ARD einst Korrespondent in Asien, ist der Film "Nervenkrieg um Nordkorea" vorgesehen.

Hajo Seppelt, wichtigster investigativer Sportjournalist der ARD und das Gesicht von Geheimsache Doping, sah beim Termin in Berlin etwas verdrossen drein, und man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass ihm die Butterfahrt-Atmosphäre nicht behagte, die viele seiner Kollegen zu verbreiten versuchten. Seppelt, der in Pyeongchang vor Ort sein wird, betonte, investigative Journalisten seien neben Staatsanwälten und Polizisten derzeit die "Watchdogs" des Sports, sie erledigten jenen Job, den der Sport nicht erledige. Es ist ihm zu wünschen, dass seine Beiträge aus Südkorea ebenfalls zu "Burnern" werden.

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