Sportrechte für Olympia:Chancenlos gegen den Kommerz

YEAR IN REVIEW  2016 - NEWS - Fireworks Explode Over Rio's Maracana Stadium During The 2016 Olympic Games Opening Ceremony

Aus der Ferne konnte man das Feuerwerk zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro am besten sehen.

(Foto: Mario Tama/Getty Images)

Olympia läuft künftig nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, sondern auf Eurosport. Die Sublizenzen waren ARD und ZDF zu teuer. Das könnte sich noch als Problem erweisen.

Von Max Hägler

Die Kurzfassung dieser Angelegenheit lautet: Es scheiterte am Geld. Aber damit ist die Nachricht nur ungenügend abgebildet. Olympia, das wichtigste Sportereignis der Welt, ist künftig nicht mehr live auf ARD und ZDF zu sehen. Sondern auf den Sendern des US-amerikanischen Discovery-Konzerns, teils frei empfangbar auf Eurosport und DMAX, teils im Pay-TV.

Discovery hatte die europäischen Rechte für die Spiele 2018 bis 2024 vor einem Jahr für 1,3 Milliarden Euro vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gekauft - schon damals war der Schreck groß am Münchner Rundfunkplatz, wo die ARD-Sportkoordination sitzt und auch die Sportrechteagentur der beiden öffentlich-rechtlichen Sender, die SportA.

Doch man setzte auf sogenannte Sublizenzen: Also die Möglichkeit, die wichtigsten Ereignisse gegen Zahlung senden zu können. Über ein Jahr zogen sich die Verhandlungen. Zäh war es, sagen beide Seiten. So zäh, dass nun Discovery die Verhandlungen beendet hat und selbst sendet.

"Unsere Vorfreude auf den Startschuss der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang 2018 steigt", heißt es von Discovery. Schlechte Stimmung indes bei den Öffentlich-Rechtlichen: "Wir müssen erkennen", erklärte ARD-Sportintendant Ulrich Wilhelm, "dass die Forderungen von Discovery bei Weitem über dem liegen, was von uns verantwortet werden kann." Sein ZDF-Kollege Thomas Bellut erklärte, man sei Discovery "bis an unsere Schmerzgrenze" entgegengekommen.

Zuletzt sind nach SZ-Informationen Wilhelm und Bellut persönlich in die Verhandlungen eingeschaltet gewesen, die meist in München und Paris, dem Standort der Eurosport-Zentrale, abliefen.

Geld der Gebührenzahler

Wilhelm ist als ehemaliger Sprecher der Bundesregierung knifflige Lagen gewohnt und versteht etwas von Diplomatie und Verhandlungsführung. Aber diesmal half auch das nicht.

Wohl recht klar sagten die Deutschen seit dem Sommer: 100 Millionen, das ist die Schmerzgrenze für zwei Olympiaden. Es geht um das Geld der Gebührenzahler und wir werden jetzt nicht wegen Olympia Kultursendungen einsparen.

Discovery war das egal. Die Manager wollten 150 Millionen Euro für die Spiele 2018 und 2020. Wobei in diesem kostspieligen Paket aber nicht alle Rechte enthalten gewesen wären: Gerade die digitale Übertragung etwa wäre beschnitten gewesen - und dies bei Spielen, die in einer fernen Zeitzone laufen, also wohl oft im Nachhinein per Mediathek angeschaut werden.

Beleg für die Kommerzialisierung des Sports

Am Montagvormittag bekamen Bellut und Wilhelm dann die Nachricht, dass Discovery nicht mehr weiterverhandeln wolle. Kurz danach verschickte der Konzern die Meldung, die Spiele würden exklusiv bei den eigenen Sendern zu sehen sein. Der Zeitpunkt ist nachvollziehbar: Jetzt müssen Hotels gebucht und Technik geplant werden für die Berichterstattung.

Das verändert die Bedeutung dieser beiden Anstalten, die qua Selbstverständnis alle wichtigen Ereignisse dieser Welt zeigen. Bislang. Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt vor, dass derlei im frei empfangbaren TV zu sehen sein muss; was aber nicht ARD und ZDF sein müssen. Und das Geschacher beweist, wie kommerzialisiert der Sport mittlerweile ist.

Von der Idee, dass sich die besten Amateure (ja, das war mal die Leitidee) der Welt in friedlicher Rivalität auf den Tartanbahnen und Skipisten messen, ist nichts mehr übrig geblieben. Die Profis auf den Sportplätzen werden vermarktet und unter die Leute gebracht von Profis, bei denen vor allem das Geld zählt.

Es darf nicht allein um Medaillen gehen

Discovery Communications gehört in den Einflussbereich des Unternehmers John Malone und betreibt weltweit TV-Sender. Die Werbeeinnahmen und Aboerlöse, die sich aus Olympia ergeben, wird künftig übrigens ein Manager aus Deutschland im Blick haben: Gunnar Wiedenfels, bislang Finanzchef bei Pro Sieben Sat 1, wird 2017 Finanzvorstand bei Discovery, das sich als "weltweit führendes Unternehmen für Storytelling" bezeichnet.

Was ist nun zu erwarten von den Geschichtenerzählern? Ist es nicht egal, wer über 100-Meter-Läufe und Skisprünge berichtet? In den öffentlich-rechtlichen Redaktionen sagen sie: Durchaus nicht - und könnten damit von der Tendenz recht haben.

Der Sport hat so viele Schattenseiten - von der Vergabe der Austragungsorte bis zum Doping -, dass es nicht allein um Medaillen gehen darf. Gebührenfinanzierte Sender könnten weitgehend unabhängig arbeiten und diese Seiten mit einem großen Team abbilden. Eurosport? Das sind fähige Sportjournalisten, aber es ist ein kleines Team. Und sie haben als Privatunternehmen einen anderen Auftrag. Die Devise lautet, in dieser Reihenfolge: Werbekunden, Partner, Zuschauer und Anteilseigner zufriedenstellen.

"Wir sind Teil dieser Unterhaltungsindustrie, das ist eine Herausforderung, vielleicht manchmal ein Problem", gestand Eurosport-Geschäftsführer Peter Hutton im vergangenen Jahr im Gespräch mit der SZ. Aber er sagte immerhin auch: Seine Redaktion müsse benennen, wenn etwas falsch laufe im Sport.

Nationale Stars bekommen ihren Platz

Am Montag bekräftigte einer seiner Sprecher noch einmal: "Wir werden emotionale Spiele bieten, aber auch die kritischen Seiten nicht aussparen, sondern journalistisch bearbeiten." Eine "komplette Kommerzialisierung" werde es nicht geben.

Allzu sehr umgewöhnen müssen sich Zuschauer indes nicht. Bis zur Olympiade will der Sender ein Konzept entwickelt haben, das auf die deutschen Sehgewohnheiten eingeht: Moderatoren auch vor der Kamera etwa, wie Skispringer Sven Hannawald, und weniger reines Livebild, das nur aus dem Off moderiert wird, als man das bislang von Eurosport kennt. Man werde jetzt selbst investieren, sagt Hutton, wobei man davon ausgehen darf, dass ihnen 150 Millionen Euro auch gut gefallen hätten. Bei ARD und ZDF hoffen sie, dass die Anstrengungen bei Eurosport nicht reichen, um die deutschen Zuschauer zu überzeugen - und man doch ins Geschäft kommt. Die Olympiade in Rio verfolgten im Schnitt 2,91 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 22,5 Prozent. Vielleicht seien das 2018 so viel weniger, dass Sponsoren und IOC wieder nach ARD und ZDF rufen.

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