"Wenn ich heute sagen würde, dass Guardiola Einzelinterviews gibt, hätte ich innerhalb einer Woche 300 bis 400 Anfragen", sagt Markus Hörwick. Auch dieser Run auf die Größen des Sports ist ein Grund dafür, dass der Zugang zur Spitze immer stärker reglementiert wird. Für den Sportjournalismus sind das schwierige Zeiten, denn die Totalvermarktung des Profisports führt dazu, dass die Medienauftritte der Stars vom Management oft mehr auf ihren Nutzen überprüft werden als auf Nachrichtenwert.
Nachrichten produzieren Sportler und die Vereine längst selbst. Der FC Bayern München beschäftigt in seiner Medienabteilung etwa 15 Leute, das vereinseigene Bayern-TV beliefert Sender in etwa 70 Ländern mit exklusiven Bewegtbildern vom Trainingsgelände an der Säbener Straße. Der Verein führt 23 Accounts für soziale Netzwerke in 20 Ländern, er beschäftigt auch zwei chinesischsprachige Mitarbeiter, um China heiß auf bayerischen Fußball zu machen, er ist in Indien präsent, in Russland, betreibt ein Büro in New York. Über das Bayern-Magazin, Auflage 250 000 Exemplare, erreicht der Klub eine sehr sauber gefilterte Zielgruppe: Mitglieder und Fans.
Dazu kämpft der Sportjournalismus mit der Exklusivität, die Sportler selbst erzeugen können. "Jeder Protagonist fühlt sich heute wie ein Journalist", sagt Hörwick über die von Spielern gern genutzten Möglichkeiten von Twitter und Facebook. Das ist ein fast ungeregelter Bereich. Der Verein hat seinen Spielern immerhin empfohlen, nicht aus der Kabine, dem Bus und dem Flugzeug zu twittern und keine Kollegen auf Facebook zu beschimpfen. Aber warum sollte noch jemand seine Stimme zur Auslosung der nächsten Pokalrunde dem Pressesprecher geben, der sie an die Medien weiterreicht, wenn der Spieler seine Ansichten zu den Aussichten gleich selbst twittern kann - und die Zahl seiner Follower, die sich mit seinen Sponsoren verlinken lassen, auf diese Art in die Höhe treibt? "Da ist ein großer Wandel im Gange", sagt Hörwick, ohne zu wissen, wohin der führt.
Wozu braucht man noch Sportjournalisten?
Noch versuchen die Pressesprecher alter Schule - Hörwick etwa kommt selbst aus dem Agenturjournalismus und ist seit mehr als 30 Jahren der Ansprechpartner für Medien bei den Bayern -, die Bedürfnisse seiner Kollegen in den Redaktionen zu befriedigen, wie sie das gewohnt sind. Viele Vereine aber führen intern schon Diskussionen, wozu man Sportjournalisten in den Stadien überhaupt noch braucht - wenn man doch alles selber machen kann.
Wer exklusiven Zugang haben will, muss immer häufiger entweder exklusive Rechte besitzen - wie der Bezahlsender Sky, der Zitate aus Spielerinterviews als Pressemitteilungen (frei unter Nennung des Senders) verschickt; oder er muss Opfer bringen. Da ist es mit dem vor einem Foto hastig hingepappten Baumarkt-Aufkleber auf dem Hemdkragen nicht mehr getan. In der FAZ erschien kürzlich ein Interview mit der Tennisspielerin Maria Sharapowa, an dessen Ende der Hinweis stand: "Die Reise wurde unterstützt von der Firma Porsche." Deren "internationale Markenbotschafterin" ist Sharapowa seit einem Jahr; über die Zuffenhausener sei der Zugang zu der Sportlerin einfacher gewesen als über ihr Management, hieß es aus der Redaktion.
Auch Sebastian Vettel ist schwer als Sebastian Vettel, der Mensch und Rennfahrer zu kriegen - leichter indes als Vettel, der Koffeinbrausenstar oder Vettel, der Schuhmarkenbotschafter. Es kann vorkommen, dass man den Formel-1-Weltmeister nur sprechen kann, wenn man ihn auf einem Sponsorentermin eines Schuhherstellers begleitet, der sein Entgegenkommen wiederum gerne mit einer Erwähnung eben jener Schuhe honoriert sähe. Und die Ski-Rennfahrerin Lindsay Vonn liefert der Presse eh nur noch Stichworte - und verweist ansonsten auf ihre eigene Homepage voller "Exklusiv"-Material.
Der Sportjournalismus steht also künftig vor der Herausforderung, auf seine Fragen noch kostenlose Antworten zu bekommen. Vielleicht muss er einfach frecher werden. Erstaunt habe ihn an Deutschland, sagte Pep Guardiola in jenem Interview mit dem Bayern-Magazin vom vergangenen Oktober, "dass die Journalisten weniger temperamentvoll sind als in Spanien. Auch die Pressekonferenzen verlaufen insgesamt ruhiger."