Sportler und Journalisten:Im Abseits

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FC Bayern Muenchen - Training & Press Conference

Pep Guardiola bei der Pressekonferenz vor dem Rückspiel gegen Real Madrid.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Spitzensportler und Vereine verbreiten Nachrichten heute oft lieber selbst über eigene Sender und Magazine, als mit Journalisten zu reden. Tun sie es doch, soll aber auch der Sponsor etwas davon haben.

Von Ralf Wiegand

In diesen Tagen tut es besonders weh. Man sieht Pep Guardiola leiden. Jetzt möchte man als Journalist natürlich hineinschauen in diesen stets akkurat geschorenen Kopf. Darin sollen sich ja dem Vernehmen nach kleine rote Männchen permanent einen Ball zuschieben, aber seit geraumer Zeit das Tor nicht mehr treffen. Das muss ihn irre machen, denn nach allem, was man hört, strebt er nach Perfektion. Pep Guardiola ist Trainer des FC Bayern München, und seine Gedanken spielen Tag und Nacht tiki taka. Sagt man.

Eine Frage könnte also lauten: "Herr Guardiola, Sie denken angeblich an nichts anderes als an Fußball. Immer. Wie schützen Sie sich davor, verrückt zu werden. Oder sind Sie es schon?"

So eine Frage stellt natürlich niemand bei einer Pressekonferenz, sagen wir mal, vor einem Bundesligaspiel gegen den Hamburger SV oder nach einer Klatsche wie gegen Real Madrid. Da zählen ja andere Dinge, immer das nächste Spiel oder eben das letzte. Nie das große Ganze. So eine Frage möchte man in ruhiger Atmosphäre stellen, ohne dass 250 Kollegen zuhören und schon beginnen zu twittern, bevor Guardiola den ersten Satz beendet hat. Man möchte dem geheimnisvollen Mann zusehen können, wie er vielleicht einen Teebeutel in heißem Wasser badet oder in einem Kaffee mit Milchkrone rührt oder nichts dergleichen tut, sondern nur seine Hände knetet, während er über die Antwort nachdenkt. Ob er überhaupt nachdenkt.

Kurz: Man möchte jetzt ein langes, inniges Interview mit Pep Guardiola führen. Aber man bekommt keins.

Das ist einerseits extrem schade, denn diesem Mann traut man schon aufgrund seines charismatischen Äußeren eine Gedankentiefe zu, die in den meistens in gebrochenem Deutsch geführten, vollöffentlichen Pressekonferenzen höchstens durchschimmert. Der Rest seiner gefühlten Intellektualität ergibt sich vom Hörensagen, aus der Analyse kluger Sportjournalisten, aus Büchern und Überlieferungen. Kaum ein Journalist, der über Guardiolas fast schon spirituelle Aura schreibt, hat dies in einer Tête-à-Tête-Situation je überprüfen können.

Andererseits ist es auch fast schon wieder egal, kein Interview zu bekommen, denn im Wettrennen um Exklusivität spielt es keine Rolle: Niemand bekommt schließlich so einen Termin mit Guardiola. Schon in Barcelona hat der weltberühmte Mann es so gehalten, keine Einzelinterviews zu geben, und auch im multimedialen Unterhaltungskonzern FC Bayern München AG gestattet man dem leitenden Angestellten diesen Luxus.

"Pep denkt 20 Stunden am Tag an Fußball", sagt Markus Hörwick, Mediendirektor des FC Bayern, "er hätte gar keine Zeit".

Tatsächlich gehört Josep Guardiola, 43, zu den Sportfiguren mit der größtmöglichen Exklusivität weltweit. Während seiner Zeit beim FC Bayern gab er genau zwei gedruckte Interviews: Eines der Redaktion des FC- Bayern-Magazin , also der Fanzeitschrift seines Arbeitgebers ("Fast eine Stunde erklärte Pep seine Fußball-Welt") - und eines einem gewissen Prof. Rupert Stadler. Der ist kein Journalist, sondern Vorstandsvorsitzender der Audi AG, die als strategischer Partner des FC Bayern Anteile an der Fußball-AG hält. Den Partner seines Arbeitgebers traf Guardiola zu einem "Gespräch über Courage und Motivation, Sieg und Niederlage" in der flutlichterleuchteten, menschenleeren Fröttmaninger Arena. Mit dem Text peppte Audi den Geschäftsbericht für seine Aktionäre auf und erzielte den hübschen Nebeneffekt, dass weltweit daraus zitiert wurde, mit Quellenangabe. Exklusivität ist wertvoll im Sport.

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