Sport-TV:Stream Team

Amateurfußball, Schwimmen, Sumoringen: Im Netz und in Spartensendern findet sich für wirklich jede Disziplin ein Plätzchen. Und auch ein Geschäftsmodell?

Von Stefan Fischer

Fußball aus der sechsten Liga. Sumoring-kämpfe bei den World Games in Breslau. Springreiten in Aachen. Die World Matchplay Darts in Blackpool - all das kann man sehen, live und in voller Länge. Manches davon sogar im Fernsehen.

Neben den Spartensendern spielt auch Streaming im Internet dabei eine immer größere Rolle. Der Sendeplatz dort ist unendlich, es gibt kaum noch eine Sportart, deren Wettkämpfen man nicht irgendwo folgen könnte. In dieser Woche etwa verkündeten die Betreiber der Website Sporttotal.tv, künftig auch jenen Bereich des Fußballs ans Publikum bringen zu wollen, der bislang eher unter Ausschluss der TV-Öffentlichkeit stattfand.

Sporttotal.tv überträgt nun also Amateurspiele aus den vierten, fünften und sechsten Ligen, wofür die Firma langfristige Kooperationsverträge mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) und einzelnen Landesverbänden geschlossen hat. Der Aufwand ist vergleichsweise gering, fest installierte Kameras an den Plätzen filmen die Spiele, dank einer Software sind sie in der Lage, automatisch dem Ball und dem Spielgeschehen zu folgen. 64 dieser Kameras sind bislang im Einsatz, bis Ende des Jahres sollen es dem Anbieter zufolge 200 sein. Für den DFB ist das Angebot natürlich ein Segen - es macht den Amateurfußball medial sichtbar. Bislang wird unter anderem aus der Regionalliga Nord, der Oberliga Niedersachsen und bayerischen Verbands- und Landesligen übertragen.

Was für einen linearen Sender nicht populär genug ist, kann im Netz sein Publikum haben

Sporttotal.tv ist mit seinem Amateurliga-Angebot nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie sehr sich das Geschäft der Sportübertragung in den vergangenen Jahren, in den vergangenen Monaten verändert hat. Auf der einen Seite kaum eine Nische, die nicht ausgeleuchtet wird, kaum ein Sport, der nicht irgendwo sein Publikum findet. Auf der anderen Seite große, mächtige Konzerne wie etwa Dazn, die das Streaming von Profisport etwa mit dem Erwerb von Rechten an der Fußball-Champions-League zu einem höchst profitablen Geschäftsmodell machen wollen.

Was früher einmal als Gewissheit galt, ist heute längt keine mehr. Die Zeiten, in denen ARD und ZDF verlässlich live von den wichtigsten Sportereignissen berichteten, sind vorbei. Manche Übertragungsrechte haben die Öffentlich-Rechtlichen nicht (Formel 1) oder werden sie in naher Zukunft verlieren, weil sie mit den finanziellen Angeboten der Konkurrenz nicht mehr mithalten können, etwa bei der Champions League und den Olympischen Spielen. An anderen sind sie nicht interessiert, weil sie nicht genügend Quote bringen. Und wenn sie berichten, dann nicht zwingend im linearen TV-Programm. Ausführliche Berichte von den Finalkämpfen der Schwimm-WM, die derzeit in Budapest stattfindet, werden beispielsweise in die Spartensender und Livestreams von ARD und ZDF verbannt, auch bei den großen Sportarten schaffen es oft nur noch die Highlights ins TV-Programm. Schwimmer und Trainer sind darüber weniger glücklich, doch im Grunde folgen ARD und ZDF hier nur einem Trend: Was für einen linearen Sender nicht populär genug ist, kann im Netz sein Publikum finden.

Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist das Streaming kleinerer Sportarten eher ein Service ans Publikum, Sporttotal.tv will daraus ein Geschäftsmodell formen. Der Anbieter streamt die Spiele live, stellt sie danach als On-Demand-Videos zur Verfügung und bietet auch Highlight-Zusammenschnitte an. Für die Nutzer sind diese Berichte frei verfügbar. Sporttotal.tv will sich über Werbung und Sponsoring finanzieren. Wie realistisch das ist, wird sich zeigen. Für die Vereine kann sich die Präsenz ebenfalls auszahlen, auch im höherklassigen Amateurbereich geht es inzwischen um viel Geld, ohne Sponsoren und Werbepartner kann sich kein Team in einer Regional- oder Verbandsliga halten. Für die Vereine entstehen kaum Kosten, sie müssen lediglich knapp zehn Euro pro Monat an Sporttotal.tv überweisen.

Auch Amateurfußball ist längst eine Ware und seine Übertragung ein Geschäft

Lizenzkosten fallen für Sporttotal.tv nicht an. Für das Recht, Amateurspiele live zeigen zu dürfen, stellt Sporttotal.tv im Gegenzug sein Bildmaterial den Fußball-Landesverbänden sowie dem Amateurportal Fussball.de zur Verfügung. Auf dieser Basis funktionieren auch viele Partnerschaften mit regionalen Medienhäusern, die selbstproduzierte Bewegtbilder von Amateurspielen auf ihren News-Webseiten zeigen. Axel Springer ist bereits Medienpartner von Sporttotal.tv, Bild hat in der vergangenen Saison während der Testphase wöchentliche Zusammenschnitte präsentiert, was zeigt, dass auch der Amateurfußball zur Ware geworden ist und seine Übertragung zum Geschäft. Das zeigt auch der Fall der Mittelbayerischen Zeitung (MZ), die sich bislang sowohl weigert, Lizenzgebühren zu zahlen für Bewegtbilder von Amateurspielen auf ihrer Homepage, als auch diese Filme dem Bayerischen Fußballverband (BFV) zur Verfügung zu stellen. Beide Parteien streiten darüber vor Gericht. Die letzten Instanzen haben zugunsten des BFV entschieden.

Ganz so leicht lassen sich die anderen Sportarten nicht monetarisieren. Doch selbst wenn die Sportverbände die Übertragung ihrer Wettkämpfe in die eigene Hand nehmen müssen, damit sie überhaupt zu sehen sind, birgt das eine Einnahmequelle. Der Schwimmweltverband Fina stellt seinen Livestream von der Weltmeisterschaft drei Tage lang kostenlos zur Verfügung. Wer mehr sehen möchte, muss den Stream kostenpflichtig abonnieren.

Einerseits ist dadurch so viel Sport zu sehen wie wohl nie zuvor, andererseits ist man hier natürlich schnell bei der Frage, wie viel objektive Berichterstattung in der Nische noch stattfindet. Im Livestream, wenn er nicht gerade von einem Sender redaktionell betreut wird, entkoppelt sich die Sportübertragung in der Regel vom Sportjournalismus.

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