Sport-Magazine:Ein guter Anstoß

Die Berliner "Fußballwoche" lebte bislang hauptsächlich von der Ergebnis-Aktualität, obwohl sie es gegen die schnelle Internet-Konkurrenz schwer hat. Nun nutzt sie die Krise, um sich neu zu erfinden.

Von Thomas Hürner

Sport-Magazine: Vor allem Ergebnisse, Tabellen und Statistiken fanden sich vor der Krise in der Fußballwoche. Die Konkurrenz im Netz ist da viel schneller. Nun nutzt sie wohl eine Chance wider Willen.

Vor allem Ergebnisse, Tabellen und Statistiken fanden sich vor der Krise in der Fußballwoche. Die Konkurrenz im Netz ist da viel schneller. Nun nutzt sie wohl eine Chance wider Willen.

(Foto: OH)

In Berlin kommen Fußballfans aller Couleur auf ihre Kosten. Beim früheren Arbeiterverein 1. FC Union treffen sich die Romantiker und beim selbsternannten "Big City Club" Hertha BSC wurden schon Hipster gesehen. Natürlich wird auch ehrlicher Amateurfußball gespielt, auf leuchtend grünen Kunstrasenplätzen inmitten betongrauer Plattenbauten. Und weil irgendwer das alles ja zusammenführen und ordnen muss, gibt es die Fußballwoche , kurz FuWo. Das Blatt ist eine Berliner Institution.

Seit 1923 berichtet die Fußballwoche über den Spielbetrieb in der Hauptstadt, von der Jugend bis zu den Alten Herren, von der Bundesliga bis runter in die Kreisliga C. Ein lückenloses Komplettpaket mit Ergebnissen, Tabellen, Spielberichten und Analysen. Jetzt aber hat das Komplettpaket große Lücken bekommen, der Umfang wurde zuletzt von den üblichen 46 Seiten teilweise auf die Hälfte reduziert. Die Coronakrise ist für die Fußballwoche so etwas wie eine unvorhergesehene Sommerpause, nur ohne Transfergerüchte, Trainerwechsel und Testspiele. Mit dem Fußball wurde dem Blatt seine Arbeitsgrundlage entzogen.

"Die Situation ist schwierig, vor allem finanziell. Wir versuchen diese Zeit aber trotzdem zu nutzen", sagt Chefredakteur Horst Bläsig. Gemeinsam mit anderen hat er das Blatt im Jahr 2008 vom Nürnberger Olympiaverlag gekauft, er ist also auch Mitgesellschaftler. Und für die Fußballwoche könnte sich die spielfreie Phase tatsächlich auch als Chance wider Willen erweisen. Auf Internetportalen wie fussball.de gibt es die Ergebnisse und Tabellen kurz nach Abpfiff. Gratis. Das altehrwürdige Blatt war deshalb schon unter Druck geraten, zugleich aber gefangen im Hamsterrad aus aktueller Berichterstattung und Gewohnheit. "Damit können wir jetzt ein Stück weit brechen", sagt Bläsig. Die Fußballwoche, glaubt er, kann sich nun perspektivisch neu erfinden.

Seit der Ball ruht, gibt es jeden Montag historische Fußballgeschichten, ein Porträt über Berliner Fußballerlegenden, eine Bilderstrecke aus vergangenen Jahrzehnten und vom Fußballhistoriker Hardy Grüne ein A-Z über Berliner Amateurvereine. Chefredakteur Bläsig weiß aber: Eine Zukunft hat das Blatt nur, wenn es in absehbarer Zeit wieder mehr Aktualität gibt. Fast nur mit Historie wird man auch die treueste Leserschaft nicht bei Laune halten können. "Wir wollen versuchen, diesen neuen Magazincharakter mit der Aktualität zu mischen." Die verkaufte Auflage von 20 000 Exemplaren ist zuletzt zwar nur um fünf Prozent zurückgegangen, was selbst Bläsig und seine Mitgesellschaftler erstaunt. Wie bei allen Printmedien haben die Anzeigenerlöse aber merklich abgenommen. Die Fußballwoche habe in den vergangenen Jahren zwar nie rote Zahlen geschrieben, erklärt Bläsig: "Wir konnten aber auch keine Rücklagen bilden." Auch deshalb musste für die zwei festangestellten Redakteure Kurzarbeit beantragt werden.

Bei der Fußballwoche glauben sie aber daran, dass sie diese Krise überstehen werden. Zahlreiche Spenden sind eingegangen, von Lesern, aber auch von manchen Vereinen. Der Präsident des Berlin-Ligisten Sparta Lichtenberg hat 100 Euro überwiesen und in einem Leserbrief an die Berliner Fußballgemeinschaft appelliert: "In den Vereinen wird so oft Geld zum Fenster rausgeworfen, aber die FuWo zu unterstützen, ist gelebte Solidarität." Ein Fanklub des 1. FC Union leistet nun doppelte Hilfe, er kauft 30 Exemplare jeder Ausgabe und verteilt diese an bedürftige Anhänger. "Alles Fußballverrückte", sagt Bläsig, "das sind ja schließlich alle unsere Leser."

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