Spiegel und Pro Quote:Gegenreden

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Mehr als nur eine Meinung zu einem Thema - dass das möglich sein muss, darauf hat gerade das Magazin "Spiegel" immer Wert gelegt. Nun spaltet ein Text über die Debatte zur Frauenquote und die Forderungen des Vereins Pro Quote die Redaktion.

Von Katharina Riehl

Binnenpluralismus ist ein schönes Wort, und gerade auch beim Spiegel hat man immer Wert darauf gelegt, dass es in einem Blatt zu einem Thema mehr als nur eine Meinung geben kann. Sehr unterschiedliche Meinungen gibt es wiederum - nicht nur in der Redaktion des Spiegel - zur Frauenquote und zu der Forderung des Vereins Pro Quote, 30 Prozent aller journalistischen Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. Soweit die Ausgangslage.

Mit welcher Deutlichkeit Wirtschaftsressortleiter Thomas Tuma in der aktuellen Ausgabe des Magazins den Verein Pro Quote angreift und dessen Vorsitzende Annette Bruhns, ebenfalls Redakteurin beim Spiegel, erstaunt dann trotzdem. Tuma schreibt, es gehe "letztlich, um die Frage, wann Journalismus zur Propaganda verkommt und wann er für seine Interessen Meinungspluralität zu opfern bereit ist".

In der Redaktion des Spiegel hat der Text - je nachdem, bei wem man nachfragt - viel Ärger oder breite Zustimmung ausgelöst. Die einen finden, dass das, was Tuma schreibt, endlich mal gesagt werden musste. Andere fragen sich, wie so ein Text überhaupt ins Blatt kommen konnte. Klar ist aber: Dass der Spiegel derzeit kommissarisch von zwei Stellvertretern geleitet wird, und noch ein paar Führungspositionen unterhalb des neu ernannten Chefredakteurs zu besetzen sind, macht empfänglich für Verschwörungstheorien aller Art.

Man gibt sich eher schweigsam

So oder so hat man sich in Hamburg nun erneut auf den Binnenpluralismus besonnen. In der kommenden Ausgabe soll eine Replik zu Tumas Text erscheinen - von einem Mann, ist zu hören, einem Pro-Quote-Unterstützer, einem "bekannten Fernsehjournalisten". Geheimnisvoll. Beim Spiegel gibt man sich auf Fragen zu der Replik im Speziellen und zu Pro Quote im Allgemeinen eher schweigsam.

Der Zeitpunkt von Tumas Text war jedenfalls, nicht nur was das Spiegel-Binnenklima angeht, passend gewählt: Annette Bruhns, die angegriffene Pro-Quote-Vorsitzende, will sich am Samstag wiederwählen lassen. Am Montag schon hat sie per Pressemitteilung Tuma auf ein Bier zur Mitgliederversammlung eingeladen. Tuma, der am Freitag im Spiegel-Blog berichtete, wie es ihm in Sachen Leserbriefe erging, wird die Einladung wohl nicht annehmen. Aber: Netzwerk Recherche hat Bruhns und Tuma zu seiner Jahrestagung am zweiten Juni-Wochenende geladen: zu einem Streitgespräch. Beide, sagt der Verein, hätten zugesagt.

© SZ vom 01.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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