Süddeutsche Zeitung

Fälschungsskandal:"Spiegel" hat 28 Relotius-Texte auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft

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Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hat 28 Texte seines ehemaligen Mitarbeiters Claas Relotius auf ihre Richtigkeit überprüft. Die Ergebnisse veröffentlichte die Redaktion am Donnerstagabend auf ihrer Internetseite. Demnach lassen sich in einer Vielzahl der Texte des einstigen Reporters schwere Fehler finden. Sie reichen von falsch übernommenen Fakten aus anderen Medien über starke Übertreibungen bis zu schlichten Erfindungen.

Laut den Recherchen sind die Unstimmigkeiten in den bisher überprüften Texten ganz unterschiedlicher Natur. So sei etwa an dem Text "Verlust" über einen Syrer, der in Aachen ein gefundenes Sparbuch samt Bargeld bei der Polizei abgab, "abgesehen von ausschmückenden, nicht immer präzise geschilderten Details am Kern der Geschichte nichts Falsches" zu entdecken. Im Artikel "Jäger" über einen Amerikaner, der den Angriff einer Klapperschlange, eines Bären und eines Hais überlebte, habe Relotius hingegen vermutlich Details erfunden, um "die Geschichte dramatischer und spektakulärer wirken zu lassen".

Ein märchenhaftes Detail ist wahr

Im Text von Relotius habe der Mann beispielsweise nach dem Schlangenbiss das Bewusstsein verloren und zwei Tage allein am Wegesrand gelegen. Laut anderen Medienberichten war er jedoch weder allein noch bewusstlos und setzte seine Wanderung nach kurzer Pause fort. Im Fall der Reportage "Königskinder" über ein syrisches Geschwisterpaar, das in die Türkei flüchtete, lässt sich die Existenz eines Kindes verifizieren. Diesem hat Relotius laut Spiegel aber offenbar einen "fiktiven Lebenslauf verpasst". Die Existenz des zweiten Kindes sei bisher nicht belegbar.

In einem Relotius-Text sei allerdings "das märchenhafteste Detail" nicht gefälscht: Als ein Vater seinen verschollenen Sohn und dessen Bekannte nach drei Monaten in der kalifornischen Wüste fand, lagen diese tatsächlich tot auf dem Boden und umarmten einander.

Im Dezember 2018 hatte der Spiegel öffentlich gemacht, dass Relotius über Jahre in großem Umfang eigene Geschichten manipulierte. Das Nachrichtenmagazin richtete daraufhin eine Kommission zur Aufarbeitung der Fälschungen ein. Bis die Ergebnisse der Kommission vorliegen, könne es allerdings noch Monate dauern, teilte der Spiegel am Donnerstag mit. Relotius arbeitete vor seiner Tätigkeit beim Spiegel auch für andere Medien. Im Jahr 2015 veröffentlichte das SZ Magazin zwei Interviews von ihm, die sich nach einer Überprüfung ebenfalls als manipuliert herausstellten.

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SZ.de/luch
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