Süddeutsche Zeitung

Neuer Markenauftritt:Die Zeit von "Spiegel Online" ist vorbei

  • Von diesem Mittwoch an firmiert das publizistische Angebot des Spiegels unter einem Namen, die Marke Spiegel Online verschwindet.
  • Die Vereinheitlichung des Markenauftritts folgt der internen Zusammenlegung von Print- und Onlineredaktion.
  • Auffällig ist ein neuer Schwerpunkt auf Lifestyle-Themen.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Aufgemotzt in bessere Zeiten? Der Spiegel, das publizistisch zuletzt arg gebeutelte Nachrichtenmagazin, hat seinen Digitalauftritt überarbeitet. Von diesem Mittwoch an verschwindet die Marke "Spiegel Online", künftig firmiert das publizistische Angebot des Hauses einheitlich unter dem Namen "Der Spiegel". Im vergangenen Jahr habe man sich viel mit sich selbst beschäftigt, sagte Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann am Dienstag in Hamburg - und meint damit neben der Zusammenlegung von Print- und Onlineredaktion vor allem den Fälschungsskandal um Ex-Spiegel-Reporter Claas Relotius. Nun aber sei es wieder Zeit für "mehr publizistischen Rock 'n' Roll".

Konkret hat die Webseite nun ein Layout, das die Ästhetik des gedruckten Hefts zitiert. Künftig können zudem mehrere Artikel zum gleichen Themenkomplex optisch besser gebündelt werden, Bezahltexte werden vom frei zugänglichen Angebot weniger separiert.

Die größte Veränderung ist aber die neue Begeisterung für Lifestyle-Themen: Der gern superseriöse Spiegel will künftig stärker über Psychologie und Darmgesundheit, über Beziehungsprobleme, Stressbewältigung und umweltfreundlichen Lebensstil berichten - zusammengefasst im neuen Ressort "Leben". Zu alltagsnahen Themen habe der Spiegel ja traditionell "eher keine Nähe" gehabt, sagte Barbara Hans, Mitglied der Spiegel-Chefredaktion. Das solle sich ändern, denn solche Themen brächten viele neue Digitalabonnenten. Ein entsprechendes Ressort im gedruckten Heft soll es aber weiterhin nicht geben - da seien die Erwartungen der Leserschaft an das Print- und das Digitalprodukt doch noch sehr unterschiedlich.

Die Frage bleibt: Wie sehr hat Fälscher Relotius geschadet?

Insgesamt hat der Spiegel derzeit 125 000 Digitalabos, die je zwischen 15 und 20 Euro im Monat einbrächten. Seit Start des neuen Bezahlmodells im Frühjahr 2018 sei die Zahl um 60 000 gewachsen. Dazu kämen konstant etwa 9000 Probeabonnenten, von denen etwa 40 Prozent - gemessen zwei Monate nach Ablauf der Testphase - zahlende Abonnenten würden.

Die Vereinheitlichung des Markenauftritts folgt der internen Zusammenlegung von Print- und Onlineredaktion. Dafür habe man zwei Millionen Euro zur Verfügung gehabt, auch um die Gehaltsunterschiede zwischen beiden Gruppen zumindest zu reduzieren. Reibungslos lief die Fusion wohl nicht ab: Während die ehemaligen Online-Leute auf eine Einkommenssteigerung pochten, handelte die ehemalige Magazin-Redaktion ein "Moratorium" aus: ein Jahr lang dürfen sie nicht für Dienste am Newsdesk verpflichtet werden. Zum Jahreswechsel sollen aber alle mit dem gleichen Redaktionssystem arbeiten.

Bleibt die Frage: Wie sehr hat Fälscher Relotius geschadet? Etwa ein Drittel der Leser beobachte den Spiegel nun besonders kritisch, sagte Klusmann, das wisse man aus einer Umfrage. Und ein Drittel sei von der Aufarbeitung beeindruckt, der Rest habe die Causa "nicht mitbekommen". Und wirtschaftlich? Habe man eine für Anfang 2019 geplante Preiserhöhung um 20 Cent erst im April realisieren können. Das war teuer.

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SZ vom 08.01.2020/tmh
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