Süddeutsche Zeitung

Spiegel:Neue Chefs lassen Verträge ruhen

Das Magazin zieht Konsequenzen aus dem Betrugsfall des Reporters Claas Relotius. Ein Teil der designierten Chefredaktion lässt die neuen Verträge zunächst ruhen.

Von sz

Ein Teil der designierten Spiegel-Chefredaktion lässt ihre Verträge bis zur Klärung der Betrugsfälle durch Reporter Claas Relotius ruhen. Knapp zwei Wochen ist es her, dass der Spiegel die Causa um teilweise oder komplett erfundene Geschichten des 33-Jährigen offengelegt hat, nun kündigte der designierte Chefredakteur Steffen Klusmann in einem Schreiben an die Mitarbeiter, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, Konsequenzen an: Ullrich Fichtner, der das Nachrichtenmagazin ab Januar im Chefredakteursteam um Steffen Klusmann mit Barbara Hans leiten sollte, und Matthias Geyer, bisher Ressortleiter Gesellschaft und als Spiegel-Blattmacher vorgesehen, würden "ihre neuen Verträge erst mal aussetzen und ruhen lassen", bis die einberufene hausinterne Kommission die Affäre "abschließend untersucht hat".

Dass Claas Relotius in den vergangenen Jahren Erfundenes im Gesellschaftsressort des Spiegel veröffentlichen konnte, habe "bei einigen die Frage aufgeworfen, ob Ullrich Fichtner als Chefredakteur und Matthias Geyer als Blattmacher nach einem solchen Desaster eigentlich noch tragbar sind", schreibt Klusmann. Die Betrügereien des preisgekrönten Reporters Claas Relotius aufgedeckt hatte sein Kollege Juan Moreno, der nach eigenen Angaben innerhalb der Spiegel-Redaktion zunächst gegen dicke Wände gelaufen war. Auch deshalb waren sofort Forderungen nach personellen Konsequenzen laut geworden, die Klusmann von vornherein nicht ausgeschlossen hatte.

Fichtner und Geyer hätten angeboten, ihre Posten zu räumen, heißt es weiter in dem Schreiben. Verfasser Klusmann merkt an, Fichtner habe Morenos Bedenken "ernst genommen" und in seinem Text - einem von mehreren, mit denen der Spiegel den Betrug öffentlich gemacht hatte - "die Hosen runtergelassen".

Zwei Tage nach Relotius' Kündigung legte der Spiegel die Affäre am 19. Dezember offen und teilte wenig später mit, womöglich auch Strafanzeige gegen Claas Relotius zu stellen. Es bestünde der Verdacht, dass der Reporter Spendengelder veruntreut habe, die er zuvor bei seinen Lesern auf Grundlage unwahrer Geschichten gesammelt haben soll.

Über seinen Anwalt äußerte sich Claas Relotius am Donnerstag erstmals zu jenen Spenden, die er für ein angebliches syrisches Geschwisterpaar, von dem er in einer seiner Geschichten berichtet hatte, von Lesern erhalten hatte. Der Spiegel hatte angekündigt, Informationen darüber an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Relotius habe, heißt es in der Mitteilung, "die Illusion über die reale Existenz" der Geschwister aufrechterhalten, aber die auf sein Privatkonto gespendeten 7000 Euro nicht für sich verwendet, sondern auf 9000 Euro aufgestockt und "an die Diakonie Katastrophenhilfe für ein Projekt zur Unterstützung von kriegsflüchtigen Kindern im Irak" überwiesen. Die Diakonie bestätigte die Überweisung laut Bild-Zeitung. Im Oktober 2016 habe Relotius 9000 Euro für ein Projekt für Flüchtlingskinder im nordirakischen Suleymaniah überwiesen, zitiert das Blatt eine Sprecherin der Einrichtung. Das Geld sei für ein Gemeindezentrum eingesetzt worden, in dem vertriebenen Kindern aus Syrien und dem Irak Hilfe angeboten wird. Claas Relotius entschuldige sich bei den Spendern, hatte sein Anwalt mitgeteilt, und werde allen ihr Geld vollständig zurückzahlen.

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Quelle:
SZ vom 29.12.2018
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