Süddeutsche Zeitung

Nach Relotius-Skandal:"Bleiben Sie uns gewogen"

  • Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hat ein neues Regelwerk für Mitarbeiter der Redaktion und Dokumentation vorgelegt und auf seiner Website veröffentlicht.
  • Der Schritt ist eine Reaktion auf den Skandal um Spiegel-Reporter Claas Relotius, dessen Fälschungen Ende 2018 bekannt wurden.
  • Chefredakteur Steffen Klusmann schrieb zur Veröffentlichung der Grundsätze, man woll einen "zweiten Fall Relotius" verhindern.

Gut ein Jahr nach dem Relotius-Fälschungsskandal hat das Nachrichtenmagazin Der Spiegel neue redaktionelle Standards vorgelegt. Das am Montag auf der Webseite veröffentlichte mehr als 70 Seiten umfassende Werk sei "eine zeitgemäße Rückbesinnung auf die Grundsätze, nach denen die Spiegel-Redaktion arbeitet", heißt es in der Einleitung. In den Standards geht es unter anderem um Umgang mit Quellen, Fehlerkultur und Sprache. Die Einhaltung sei für alle Mitarbeiter der Redaktion und Dokumentation verbindlich. Die Standards haben Dutzende Spiegel-Mitarbeiter in den vergangenen Monaten in Arbeitsgruppen erarbeitet.

Im Dezember 2018 hatte das Hamburger Nachrichtenmagazin den Skandal um seinen damaligen Autor Claas Relotius bekannt gemacht. Dieser hatte in Artikeln immer wieder Szenen, Gespräche und Ereignisse erfunden. Eine Aufklärungskommission arbeitete den Fall auf. Auch eine Ombudsstelle schob der Verlag an, die künftig Hinweisen auf Ungereimtheiten in journalistischen Beiträgen nachgehen soll. Die Relotius-Affäre hatte zudem zu personellen Konsequenzen in der Redaktion geführt.

In einem der Kapitel heißt es: "Wir betreiben kein 'Casting'"

Chefredakteur Steffen Klusmann schrieb zur Veröffentlichung der Standards auf der Webseite: "Wir wollen diesen Leitfaden auch in Zukunft regelmäßig überprüfen und überarbeiten, ihn beständig unseren Arbeitsprozessen anpassen. Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, sicher sein können, dass wir alles tun, um einen zweiten Fall Relotius bei uns zu verhindern." Der Betrugsfall habe den Spiegel "in die wohl schwerste publizistische Krise seiner Geschichte gestürzt".

In einem Kapitel über den Umgang mit Quellen und Protagonisten heißt es in dem neuen Leitfaden: "Wir wählen Protagonistinnen und Protagonisten aus, die eine besondere Geschichte haben, eine interessante Perspektive einnehmen, wichtige oder relevante Standpunkte vertreten. Wir betreiben kein ,Casting', das konkrete Protagonisten idealtypisch zusammensetzt, um möglichst effektvoll erzählen zu können."

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SZ vom 04.02.2020 / dpa/tmh
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