Sonneborn zur Vergabe der WM 2006:"Blatter laviert natürlich rum"

Der Weltfußball ist korrupt. So weit bekannt. Doch dass Fifa-Boss Sepp Blatter nun auch noch behauptet, das Sommermärchen von 2006 sei gekauft gewesen, das ist ja nun die Höhe - oder? Gab es da nicht die Satirezeitschrift "Titanic", ihren Chefredakteur Martin Sonneborn - und leckeren Schwarzwälder Schinken?

Lars Langenau

Martin Sonneborn, 47, versendete am 5. Juli 2000 ein paar Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees "getürkte" Faxe in einem äußerst schlechten Englisch, aber mit eindeutigen Angeboten. Es war der Tag vor der entscheidenden Wahl des Weltfußballverbandes und der damalige Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic bat, die Bewerbung Deutschlands für die Fußball-WM 2006 zu unterstützen. Den Mitgliedern wurde ein Geschenkkorb mit Wurst, Schinken und einer Kuckucksuhr versprochen. Der Delegierte Charles Dempsey aus Neuseeland enthielt sich - entgegen der Absprache mit seinem Verband - der Stimme. Später sagte er: 'This final fax broke my neck'. Deutschland gewann - mit einer Stimme Mehrheit.

"TITANIC" SCHOCKT DFB

Titanic schockt DFB: Das Bild zeigt ein Fax des damaligen Chefredakteurs der Satirezeitschrift Titanic, Martin Sonneborn, vom Juli 2000 an das Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees, den US-Amerikaner Chuck Blazer

(Foto: DPA)

Süddeutsche.de: Herr Sonneborn, sind Sie inzwischen Träger des Bundesverdienstkreuzes?

Martin Sonneborn: Das wird zwar immer wieder gefordert, aber ich habe noch keins zugeschickt bekommen. Ich warte aber seit zwölf Jahren auf eine Einladung vom DFB, als Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft auflaufen zu dürfen. Das wurde mir damals vom DFB-Anwalt zugesagt. Ich halte mich nach wie vor fit.

Süddeutsche.de: Ist es der Welt Lohn, dass Blatter nun offen lässt, wer wen bestochen hat, damit die WM nach Deutschland kam? Bleibt Ihnen der Ruhm versagt?

Sonneborn: Alle Fachleute wissen Bescheid. Blatter laviert natürlich rum, aber das macht er seit Jahrzehnten. Wir haben damals dem kleinen Mann von der Straße gezeigt, dass die WM nicht ohne Korruption vergeben wird. Was damals noch ein Skandal war, ist heute ganz normal.

Süddeutsche.de: Mit Bestechung kennen Sie sich aus. Wollen Sie jetzt Blatters Posten übernehmen?

Sonneborn: Ich glaube, der Job von Blatter ist gut dotiert und wenig überprüfbar. Deshalb ist das reizvoll und ich würde Ja sagen. Das würde ich sogar noch lieber machen, als Bundespräsident zu werden.

Süddeutsche.de: Würden Sie noch mal die WM oder auch die EM nach Deutschland holen?

Sonneborn: Ich muss mich da zurückhalten. Bei einer angedrohten Klage über 600 Millionen Mark habe ich mich damals verpflichtet, lebenslang nie wieder mit Bestechungsfaxen auf die Vergabe von Fifa- und Uefa-Turnieren Einfluss zu nehmen. Wobei: Wie ist das eigentlich mit Mails?

Süddeutsche.de: Auch Brasiliens damaligen Verbandschef Ricardo Teixeira hatten sie im Jahr 2000 angeschrieben. Aber nur Neuseelands Delegierter Charles Dempsey reagierte: Er sprach 'This final fax broke my neck' - und reiste ab. Südafrika verlor wegen seiner Stimme in der entscheidenden Abstimmung.

Sonneborn: Nur Dempsey reagierte, bei den anderen war der Bestechungskorb mit ein paar verdammt guten Würsten und einer Kuckucksuhr wahrscheinlich nicht konkurrenzfähig.

Süddeutsche.de: Eigentlich eine patriotische Heldentat. Warum war die Bild so sauer auf Sie?

Sonneborn: Die haben das nicht verstanden. Außerdem sind sie ja auch Anzeigenpartner von Siemens und Daimler-Benz, die sich auch in diesem halblegalen Raum engagiert haben. Die britischen Reporter, die mir als Erstes auf die Schliche kamen, haben auch sofort verstanden, dass ich sagte: Ich tat es für mein Land.

Überzeugungskraft eines Faxes

Süddeutsche.de: Was hatte denn nun mehr Überzeugungskraft: Die Frankfurter Würstchen, der Schwarzwälder Schinken oder die Kuckucksuhr?

Sonneborn: Ich glaube, die Tatsache, dass das damals per Fax angeboten wurde. Und man dies dann nachts um 23 Uhr unter der Tür des Hotelzimmers durchgeschoben bekam. Dagegen sind windige Gespräche mit Nelson Mandela oder Gerhard Schröder doch nichts Greifbares.

Süddeutsche.de: Derzeit sind die Fifa und ihr Boss schwer in Erklärungsnot. Wer hat denn da nun wen geschmiert? Das ist ja alles ein wenig undurchsichtig.

Sonneborn: Wichtig ist, dass da große Geldsummen fließen. Es wird keine WM ohne Präsentkörbe vergeben, die dann allerdings nicht nur mit Delikatessen gefüllt sind, sondern mit Schecks.

Süddeutsche.de: Waren Sie inzwischen in Südafrika im Urlaub? Oder haben Sie noch immer Angst, dass die Südafrikaner nachtragend sind?

Sonneborn: Nein, ich war noch nicht da, das habe ich für dieses Leben eigentlich auch ausgeschlossen. Aber die Urlaubsländer werden inzwischen ein wenig knapp. In China droht mir nach einem Spaß in der Heute-Show die Hinrichtung - und auch in Georgien bin ich nach einem Staatsbesuch mit der "Partei" nicht mehr willkommen.

Süddeutsche.de: Nun bleibt nur die Schweiz?

Sonneborn: Ja, die Schweiz! Das ginge weiterhin, denn die halten das da für ganz normal, dass man seine Ziele mit Korruption erreicht. Außerdem sind die Schweizer so schön devot uns Deutschen gegenüber.

Süddeutsche.de: Wir haben Sie auf der Tribüne der EM in der Ukraine neben Staatspräsident Viktor Janukowitsch vermisst. Hatten Sie gar keine Ehrenkarte?

Sonneborn: Ich habe das boykottiert, weil ich mich nicht neben derart unseriösen Politikern sehen lassen wollte.

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