"Sommerhaus der Stars":"Wir sind im Psychohaus" - "Ich kotz gleich"

Lesezeit: 3 min

Wahnsinn, Missgunst und Sex: Mit dem "Sommerhaus der Stars" und "Promi Big Brother" verhandelt das Fernsehen die großen Themen der Menschheit wie auf der Theaterbühne - nur trashig und ohne Blut.

Von Hans Hoff

Reist man derzeit durch die Lande der Kultur, stößt man vielfach auf Festspiele, bei denen auf der Bühne die großen Themen der Menschheit verhandelt werden. Wahnsinn, Neid, Missgunst, grundlos überbordende Egos und die Unterstellung mangelnder sexueller Leistungskraft des Feindes gehören dort zum Repertoire. Das schaut man gerne an und freut sich hernach über das ganze Theater.

Nun finden diese Festspiele eher selten ihren Weg ins Fernsehen, weshalb der Zuschauer zu Hause aber keineswegs auf die Verhandlung der entscheidenden Themen verzichten muss. Schließlich haben die großen privaten Sender die Marktlücke erkannt und bieten all das - natürlich nicht so fein ziseliert.

Die ganz großen Themen werden behandelt: Wer hat mehr Sex als die anderen?

"Wir sind im Psychohaus. Kann das sein?" Das fragt jemand im Sommerhaus der Stars, das RTL gerade immer mittwochs zur Aufführung bringt und dabei natürlich mit branchenüblicher Flunkerei agiert. Sommer stimmt, Haus stimmt, aber Stars sind sie alle nicht, die da in einer portugiesischen Ferienvilla kaserniert wurden und nun vor allgegenwärtigen Kameras ihre vom Sender befeuerten Konflikte austragen müssen.

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"Erzieh du deinen Mund!" Auch das ist so ein Spruch aus dem Sommerhaus. Er ordnet sich ein hinter "Ich kotz gleich". Das muss sein, denn natürlich sollen in diesem wahlweise als trashige Familienaufstellung oder als Intrigantenstadl konzipierten Showformat die ganz großen Themen verhandelt werden, also: Wer hat mehr Sex als die anderen, und wessen Lunte ist so kurz, dass sie den Träger ratzfatz zur Explosion bringt.

Man kann das sehr schön demonstrieren an einem muskulösen Mann namens Aurelio, der gerne von sich in der dritten Person ("der Mann Aurelio") spricht. Der ist eine beeindruckende Erscheinung - groß, imposant und natürlich reichlich tätowiert. Er schwitzt nicht, nein, er transpiriert in jeder Sekunde Stärke. Doch dieser Baum von einem Kerl mutiert in der Show in Windeseile zum wimmernden Würmchen, als er mitbekommt, dass sich seine Freundin auf der Terrasse mit einem anderen Insassen unterhalten hat und dabei, völlig unverfänglich übrigens, das Wörtchen Sex gefallen ist. Da rastet der Mann Aurelio komplett aus, starrt in die Gegend, als wolle er mit seinem Blick Kolibris töten. Ein Kindchen gefangen im Körper eines Riesen. Selten noch hat man die Dekonstruktion eines überkommenen Männerbildes genussvoller betrachten können als bei dieser Show.

Um solche Verwandlungen in halbfreier Wildbahn verfolgen zu können, braucht man einen Sender wie RTL, der eingekaufte Darsteller in Käfighaltung präsentiert, sie in albernen Spielen demütigt und dabei im Prinzip die gleichen Geschichten erzählt, wie sie auch auf den Festspielbühnen präsentiert werden. Nur eben in Trash. Und ohne Blut.

Das finale Meucheln wird bei RTL ersetzt durch die Rauswahl, die alle fürchten, obwohl doch jeder meinen würde, dass es höchstes Ziel sein müsste, dieser öffentlich zelebrierten und durchaus freiwilligen Geiselhaft baldigst zu entrinnen. Aber natürlich haben die Promis in ihren Verträgen Klauseln, die umso mehr Geld versprechen, je länger man es bei den anderen aushält.

Das gebiert Momente besonderer Wahrheit. Als der in solchen Shows schon lange geübte Nico Schwanz von einem Quiz zurückkehrt, bei dem er fast alle "Frauenfragen" (Wie viele Schamlippen hat eine Frau?) falsch beantwortet hat, entschuldigt er sich bei seiner darob erbosten Freundin mit den Worten "Ich bin keine Frau, Schatz." Woraufhin seine angesäuerte Liebste mit dem Verweis auf seinen gelernten Beruf kontert: "Aber du bist Friseur."

Wie wäre es mit einem "Sommerhaus der Politiker"?

Man muss das, was man dort sieht, nicht zwingend vergleichen mit dem, was auf großen Bühnen abgeht. Gelegentlich, wenn alle schön laut streiten, sind auch Ähnlichkeiten mit konventionellen Talkshows und dem "Lassen Sie mich ausreden"-Modus zu erkennen. Man kann sich auch an den aktuellen Wahlkampf erinnert fühlen, wo vorzugsweise Nichtigkeiten aufgeblasen werden. Das lässt natürlich prompt die Idee keimen, was es denn in einem "Sommerhaus der Politiker" zu erleben gäbe. Nur mal so angedacht für die Zukunft. Auch da gibt es ja Stars, die gar keine sind.

Tatsache ist, dass der RTL-Konkurrent Sat 1 beim Sommertheater nicht hinten anstehen möchte und deshalb am Freitag einen direkten Ableger der Urmutter des klassischen Menschen-in-Kisten-Formats startet. Bei Promi Big Brother zieht ein Dutzend Verhaltensauffällige in einen abgeschirmten Bereich. Bisher wurde die eine Hälfte davon stets in einen Luxusbereich gesteckt und die andere in den Schmuddelkeller, was natürlich der Entstehung von telegenen Konflikten höchst förderlich war. Auch in diesem Jahr verspricht der Sender seiner Besatzung, dass es um "alles oder nichts" geht. Täglich. Damit muss die einsitzende Mischung aus Wannabes und Hasbeens dann irgendwie klarkommen - und liefern. "Macho-Gehabe, heiße Dusch-Szenen und Zicken-Zoff dürfen nicht fehlen", teilt Sat 1 mit. Als wenn jemand etwas anderes erwarten könnte.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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