Man wundert sich, dass keiner der Neuankömmlinge die in der Landluft liegende Metaphorik anspricht, als unmittelbar nach dem Einzug der ersten Promi-Paare bereits das große Putzen beginnt. "Das ist gut gewachsener, alter Schmutz", sagt Ex-Viva-Moderator Mola Adebisi über die Zustände in der bäuerlichen Bruchbude und verdonnert Freundin Adelina umgehend zum Schrubben des Kücheninventars. Nein, am Ekelfaktor seines Sommerhauses hat RTL auch in diesem Jahr nicht gespart, soviel ist sicher. Doch Adebisi könnte genauso gut über eine viel tiefere Schmutzschicht schimpfen - über die, die sich seit dem vergangenen Jahr um das gesamte Format hüllt.
Vor rund zwölf Monaten startete das Sommerhaus der Stars, damals frisch mit dem Fernsehpreis als beste Realityshow ausgezeichnet, mit einem Abend der Enthemmung in eine von Alkohol- und Mobbingexzessen geprägte Staffel: Erst mussten Sicherheitskräfte den torkelnden Ex-Türsteher Andreas Robens zurückhalten, als dieser kurz davor war, seinem Mitbewohner Kubilay eine Kopfnuss zu verpassen - ehe jener für den traurigen Tiefpunkt eines denkwürdigen TV-Abends sorgte: Im Streit spuckte er Ex-Bachelor Andrej Mangold ins Gesicht.
Eine gewisse Scham war anschließend auch bei einigen Verantwortlichen zu spüren. RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm sagte in einem Übermedien-Interview, die "Eskalation der Aggressivität und das unangenehme negative Gefühl" der Staffel habe "uns auch betroffen gemacht". Ob nun Betroffenheit oder Ärger darüber, dass dem Dauergezanke sonntagabends zunehmend die Zuschauer davonliefen - man konnte bei all dem Selbstmitleid fast vergessen, dass RTL und Produktionsfirma Seapoint den Dauerkonflikt durch konfrontatives Casting und fehlendes Einschreiten vor Ort aus Quotengier mindestens in Kauf genommen hatten.
Sorgen, das Format würde sich komplett von seinem Markenkern verabschieden, erweisen sich als unbegründet
Man durfte also gespannt sein, mit welchen Anpassungen das Sommerhaus der Stars im Jahr danach zurückkehrt. Unterhaltungschef Sturm kündigte "deutlich weniger Konfliktpotenzial" und mehr Humor an, das Sommerhaus werde vordergründig einen "Einblick in unterschiedlichste Paarbeziehungen" geben. Eine Konfrontationsbremse schien allein deshalb unumgänglich, weil der Sender aktuell seine Info-Offensive fährt. Das neue Nachrichtenmagazin mit Jan Hofer und Pinar Atalay läuft dienstags bis donnerstags sogar direkt im Anschluss ans Sommerhaus.
Wer nach all der Aufregung aber befürchtet, das Format sich komplett von seinem Markenkern verabschieden, verhaltensauffällige Promi-Paare im Kampf um 50 000 Euro kontrolliert aufeinander loszulassen, den kann man beruhigen. Die allgemeine Grundaggression des vergangenen Jahres weicht einer Serie von kleineren Aufregern, die allerdings jeweils das Potenzial haben, wochenlang zu wabern - wie früher eben, als einmal die müffelnde Jeansjacke von Boxer René Weller ausreichte, um für wahnwitzige Zwists und grandioses Fernsehen zu sorgen.
Obwohl der Sendungstitel Stars verspricht, war Prominenz in solchen Formaten noch nie wichtig. Die Mischung macht's, auch in dieser Staffel, in der unter anderem ein Love-Island-Siegerpaar auf Ballermann-Star Almklausi sowie Theater-Regisseur Roland Heitz trifft. Die Hauptrollen kommen zum Staffelauftakt aber zwei anderen Männern zu: Moderator Mola Adebisi, der aus alten VIVA-Tagen erzählt wie Messner vom Everest, und dem testosterongeladenen Mike Cees, dem Ehefrau und Tatort-Darstellerin Michelle Monballijn nach ein paar Stunden gesteht, sich vor Urzeiten auf ein Techtelmechtel mit dem damaligen Musikfernsehstar eingelassen zu haben - ein Schock für Datingshow-Alumnus Mike. "Ab diesem Zeitpunkt ist er Feind", sagt er. Vertraut man der Staffelvorschau, werden die beiden Streithähne zwar sticheln, intrigieren und vielleicht sogar mit dem Einschalten ihrer Anwälte drohen - akute Anspuck-Gefahr besteht aber wohl keine.
Das Sommerhaus der Stars, RTL, dienstags bis donnerstags, 20.15 Uhr.
