Süddeutsche Zeitung

Kinder und Social Media:"Man kann die Kontrolle über die Bilder schnell verlieren"

Medienpädagogin Claudia Lampert hat Handlungsempfehlungen für die Eltern von Kinder-Influencern entwickelt und erklärt, wie ein gesunder Umgang mit Social Media aussieht.

Interview von Marija Barišić

Als Kinder-Influencer verstehen Expertinnen und Experten Kinder, die auf Social Media viele Follower haben und sogar für Produkte werben. Mit der "Arbeitsgruppe Kinder-Influencing" hat Medienforscherin Claudia Lampert für die Eltern dieser Kinder nun Handlungsempfehlungen entwickelt, die zeigen, wie entscheidend die Haltung der Eltern sein kann.

SZ: Frau Lampert, was sind eigentlich Kinder-Influencer?

Claudia Lampert: Sagen wir, ein Kind postet ein kurzes Video auf Instagram. Viele finden es witzig und liken es, das Kind bekommt immer mehr Reichweite. Irgendwann kommt die erste Anfrage einer Spielwarenfirma, ob das Kind nicht Lust hätte, dasselbe mit einem ihrer Produkte zu machen und dafür bezahlt zu werden. Die Eltern denken sich: Ach, warum nicht, was gibt es Tolleres, als Geschenke auszupacken und dafür auch noch Geld zu kriegen? Die elfjährige Miley, die mit ihrem Instagram-Profil mittlerweile für das Einkommen der ganzen Familie sorgt, ist so eine Kinder-Influencerin.

Hört sich an, als könnten die Kinder dann aber auch kaum mehr anderes tun.

Unsere Empfehlungen erinnern daran, dass das Kind bei all dem noch Kind bleiben sollte. Wichtig ist auch: Die Tipps richten sich nicht nur an Eltern von Kinder-Influencern, sondern letztendlich an alle Eltern - auch an die, die selbst auf Social Media aktiv sind und des Öfteren Bilder von ihren Kindern posten.

Interview am Morgen

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Die sie vor Gefahren schützen sollten.

Eltern muss bewusst sein, dass man die Kontrolle über gepostete Bilder im Netz schnell verlieren kann. Man weiß nicht, wer das Bild für welche Zwecke nutzt. Ein anderes Risiko ist, dass ein Bild, das man mit einer breiten unbekannten Öffentlichkeit teilt, ja nicht immer nur positive Reaktionen nach sich zieht, sondern leider oft auch direkte, offene Anfeindungen. Insbesondere Kinder haben nicht die notwendige Stärke und Kompetenz, mit solchen Kommentaren souverän umzugehen.

Aber müsste man dann Social Media nicht ganz verbieten? Vor negativen Kommentaren ist niemand geschützt.

Es gibt durchaus Gründe, weshalb fast all diese Plattformen Altersbeschränkungen haben. Die meisten sind für Kinder unter 13 nicht mal gedacht, Kinder unter 16 brauchen laut DSGVO das Einverständnis ihrer Eltern. Deswegen ist es wichtig, vor allem jüngere Kinder bei ihren Aktivitäten im Netz zu begleiten. Damit das funktioniert, müssen Eltern aber erst mal wissen, welche Plattformen die Kinder nutzen und wie etwa Tiktok oder Instagram funktionieren. Inzwischen gibt es ganz gute Seiten im Netz, wie zum Beispiel den Kompass Social Media, über die Eltern einen schnellen Überblick bekommen, ohne jede einzelne App selber ausprobieren zu müssen.

Wie schafft man es mitzubestimmen, was das eigene Kind auf Social Media macht, ohne der Spielverderber zu sein?

Es wäre schon mal gut, Social-Media-Aktivitäten nicht von vornherein abzuwerten. Noch besser wäre es, zu versuchen zu verstehen, warum das Kind bestimmte Apps und Funktionen interessant findet.

Wie denn?

Allein durch die Fragen "Welche App ist eigentlich gerade besonders angesagt" oder "Wem folgst du eigentlich?" erfährt man sehr viel darüber, was Kinder und Jugendliche gerade beschäftigt. Nutzen sie die App, um anderen zu folgen, oder weil sie lieber selbst posten? Suchen sie also auf Social Media eher Orientierung oder Feedback? So erfährt man sehr viel, und das Gespräch über einen gesunden Umgang mit Social Media wird deutlich einfacher.

Wie sieht so ein gesunder Umgang aus?

Eltern von jüngeren Kindern würde ich empfehlen, ihre Kinder die kreativen Möglichkeiten der Apps zwar nutzen zu lassen, aber nur im privaten Raum. Heißt: Sie können etwa Tiktok-Videos erstellen, aber diese Videos nicht mit einer Öffentlichkeit teilen, sondern vielleicht nur mit der besten Freundin. Da reicht es, in der App entsprechende Einstellungen vorzunehmen.

Spätestens bei Teenagern funktioniert das wohl nicht mehr so gut.

In jedem Fall sollte man frühzeitig bestimmte Regeln festlegen, zum Beispiel dass keine privaten Angaben, wie Adresse und Telefonnummer, oder freizügige Fotos veröffentlicht werden. Natürlich muss man sich dann darüber verständigen, was freizügig eigentlich bedeutet. Ist das Bild im Bikini am Strand freizügiger als das Bild in Unterwäsche im Badezimmer beim Schminken? Und wenn ja, warum? Durch das Fragenstellen gibt man den Jugendlichen die Möglichkeit, sich selbst mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Letztlich geht es darum, sie in der Auseinandersetzung mit Social Media nicht alleine zu lassen.

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