Es war eine gezielte Provokation, mit der sich der slowenische Ministerpräsident Janez Janša am Freitag im Europaparlament in Szene setzte. Seither ist die Nervosität in Brüssel größer geworden - wenige Monate vor Beginn der slowenischen Ratspräsidentschaft, die im Juli beginnt.
Janša, Fan von Viktor Orbán und Donald Trump, glühender Antikommunist und Verschwörungstheoretiker, war zu einem Gedankenaustausch vor der sogenannten Monitoring Group für Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte, einem Unterausschuss des Europaparlaments, gebeten worden. Dort sollte über die Lage der Medienfreiheit in seinem Land diskutiert werden. Es gibt solche Anhörungen regelmäßig, andere Regierungschefs vor ihm haben sich der Debatte gestellt. Janša schaltete sich zu, bestand auf einer kurzfristigen Änderung der Regeln, ließ sich auf keinen Kompromiss ein, sorgte für einen Eklat und klinkte sich dann gemeinsam mit seinem Kultusminister wieder aus. Die Parlamentarier waren erst perplex - und dann empört.
Die Lage der Medien in Slowenien gilt nicht erst als prekär, seit der Chef einer Mitte-rechts-Koalition vor einem Jahr sein Amt angetreten hat; er ist zum dritten Mal in mehr als zwei Jahrzehnten Regierungschef. Seit Jahren gibt es Berichte über den Einfluss ungarischer Oligarchen auf den slowenischen Medienmarkt; Janša und seine Partei SDS bauen an einem konservativen Imperium rund um den Sender Nova 24 TV und zahlreiche Regionalblätter. Zuletzt kam Druck auf die staatliche Nachrichtenagentur STA und den öffentlich-rechtlichen Sender RTV hinzu.
Es gab also auch am Freitag in Brüssel genug Diskussionsstoff. Und zwei Stunden lang nahmen Vertreter von STA und RTV, vom Journalistenverband, eine Medienrechtlerin und zwei Ombudsleute auch höchst kontrovers Stellung. Dann: Aufritt Janša, der in Ljubljana saß. Der neue Termin war auf Verlangen des Slowenen zustande gekommen, nachdem er Wochen zuvor kurzfristig abgesagt hatte. Auf Janšas Wunsch hin hatte die Vorsitzende der Monitoring Group, Sophie in 't Veld, auch zugestimmt, dass das Treffen im Livestream übertragen wird, was sonst nicht üblich ist. Dass die Debatte abrupt endete, hatte ebenfalls mit den ganz besonderen Vorstellungen Janšas zu tun: Man habe vor Stunden ein Video übermittelt sagte er, und er bestehe darauf, dass dies gezeigt werde. Eine Debatte darüber, dass man das Video erst zu Beginn der Sitzung erhalten habe, dass er bitte persönlich Stellung nehmen möge, dass man seinen Film gern hinterher veröffentliche - all das führte zu nichts und sollte wohl auch zu nichts führen. Janša bestand auf dem vorbereiteten Video, sprach von Zensur - und weg war er.
Die Nachrichtenagentur STA wird ausgeblutet, es fließt kein Geld mehr
Den Film über "Attacken auf Journalisten", mit dem laut O-Ton linke Angreifer und rechte Journalisten gemeint waren, twitterte er umgehend selbst. Schon Tage vorher hatte Janša ein halbstündiges Video mit dem Titel "Rechtsstaat - auf die slowenische Art" ins Netz gestellt, mit dem offenbar die strategische Unterwanderung von Gesellschaft und Politik durch postkommunistische Seilschaften belegt werden soll.
Die Ausschussvorsitzende Sophie in 't Veld wurde schnell grundsätzlich: Dies sei Europa, hier setze man sich zusammen und rede miteinander, man erweise sich gegenseitig Respekt, aber Janša habe die Sitzung regelrecht "überfallen". Auch die sozialdemokratische Abgeordnete Katarina Barley sagte der SZ, Janša habe sich "entlarvt". Offenbar habe er sich unangenehmen Fragen entziehen wollen und die Provokation geplant, um sein Propagandavideo auf einem Kanal der EU platzieren zu können.
Was bleibt, ist die Frage nach den Medien in Slowenien. Janša betrachtet auch sie als Teil einer von der postkommunistischen Linken instrumentalisierten Propagandamaschine. Die Nachrichtenagentur STA etwa, welche Janša als "nationale Schande" bezeichnet, und die Regierung streiten seit Monaten: Die Agentur, zu hundert Prozent in staatlichem Eigentum, wird ausgeblutet; seit Jahresbeginn fließt kein Geld mehr. Janša fordert strafrechtliche Ermittlungen gegen den Direktor und seine Absetzung. STA-Chefredakteurin Barbara Štrukelj beklagte gegenüber der SZ, die Regierung erfülle ihre "gesetzlichen Verpflichtungen nicht"; man werde zwar jetzt vor Gericht ziehen, aber ohne Geld vom Staat werde die Agentur ein langes Verfahren womöglich nicht überleben. Angriffe aus den "höchsten Regierungsebenen" und aus den Kreisen von Janšas Partei SDS seien "unbegründet und beleidigend", so Barbara Štrukelj.
"Anscheinend gibt es zu viele von euch, und ihr werdet zu gut bezahlt."
Immerhin: Es gibt zahlreiche Solidaritätserklärungen und besorgte Artikel in liberalen Zeitungen. Auch in der fragilen Vierer-Koalition, die der Rechtspopulist Janša anführt, regt sich Widerstand gegen die politisch motivierten Attacken. Lokalen Medien ist zu entnehmen, dass Koalitionspartner das Vorgehen zu aggressiv finden und drohen, eigene Verträge mit der Agentur abzuschließen, wenn das Janša-Lager so weitermache.
Auch der öffentlich-rechtliche Fernsehsender RTV steht politisch und finanziell unter Druck durch die Regierung und bekommt zum 1. April einen neuen Chef, der Janša genehm ist. Der Steuerfachmann mit geringer Managementerfahrung soll offenbar die "Lügenberichterstattung" des Senders stoppen, wie Janša es formuliert. "Wir bezahlen euch, um zu informieren, nicht um irrezuführen", so der Premier kurz nach seinem Amtsantritt vor einem Jahr gegenüber RTV-Journalisten: "Anscheinend gibt es zu viele von euch - und ihr werdet zu gut bezahlt."
Der bekannte Investigativjournalist Blaž Zgaga, der mittlerweile überwiegend in der kroatischen Zeitschrift Nacional publiziert, berichtet vom Aufbau einer alternativen Nachrichtenagentur, der National Press Agency (NTA), durch Finanziers aus dem Umfeld der Janša-Partei SDS. Deren Chef präsentierte sich im Interview mit einem kanadischen Alt-Right-Aktivisten unlängst mit den Worten, er sei der "Chefredakteur eines faschistischen Mediums". Zgaga hält es für wahrscheinlich, dass nach dem "Kollaps der STA die neue Agentur mit Staatsgeldern aufgebaut" werden solle. Die Kontrolle von Informationen und Medienunternehmen, so Zgaga, ziele mittelbar auf die Kontrolle über "ein ganzes Land."