Süddeutsche Zeitung

"Sky" startet Nachrichtenkanal:Neue Wege mit dem Gesicht von CNN

Der Pay-TV-Sender "Sky" hat zwar mittlerweile 2,86 Millionen Abonnenten - Gewinne hat er aber noch nie erwirtschaftet. Um das Paket attraktiver zu machen, startet nun der Nachrichtenkanal "Sky Sports News HD". Der dient vor allem der Markenpflege.

Stephan Seiler

Kate Abdo wird verfolgt von einer Frage, die in Kurzform ganz simpel lautet, nämlich so: "Warum tut sie sich das an?" Sie, die 30-jährige Engländerin, die bei CNN Karriere machte. Beim Nachrichtensender, der rund um den Globus mehr als eine Milliarde Menschen erreicht, hat sie von London aus täglich eine halbstündige Sportsendung moderiert. CNN wollte sie ins Hauptquartier nach Atlanta holen. Doch Abdo kündigte im April und zog nach München.

Von diesem Donnerstag an sagt sie die Sportnachrichten bei einem neuen TV-Sender an, der in einer anderen Liga als CNN spielt. Er sendet nur auf Deutsch und nur im Bezahlfernsehen - Sky Sport News HD. Der Kanal ist das derzeit ehrgeizigste Projekt der Pay-TV-Plattform Sky Deutschland, die zwar mittlerweile 2,86 Millionen Abonnenten hat, aber seit Gründung vor 20 Jahren noch in keinem Geschäftsjahr Gewinne erwirtschaftete. Was also treibt Kate Abdo dorthin?

Sie sagt es so: "Als ich zu CNN kam, war schon alles da. Ich durfte moderieren, aber nicht gestalten. Bei Sky kann ich etwas Neues aufbauen." Das klingt erst mal nach PR-Sprech. Und tatsächlich ist es nicht die ganze Wahrheit, weil Abdo auch der Liebe wegen nach Deutschland kam. Seit diesem Sommer ist sie mit einem Berliner verheiratet. Die geborene Kate Giles heißt seitdem Kate Abdolmajid. Der Name schaffte es nicht ins Fernsehen.

Abdo erzählt das in der Gaststätte des Golfclubs Berlin-Pankow, am Zapfhahn hängt ein Wimpel mit der Aufschrift "Born to golf". Abdo spielt hier mit ihrem Mann am Wochenende. Nun sitzt sie auf dem Holzstuhl, vor sich eine Ausgabe des Kicker. Ihre Augen scheinen zu prüfen, ob die Antwort auf die stets wiederkehrende Frage überzeugend rüberkam.

Wie auch immer. Es mag ihrer angelsächsischen Mentalität, eher die Chancen zu sehen als die Risiken, geschuldet sein - und Kate Abdo, Tochter eines Sportlehrer-Paares, erhielt schon viele Chancen. Sie lernte Deutsch, ihr Abitur machte sie in Spanien. Am Ende ihres Dolmetscher-Studiums wurde sie Praktikantin bei der Deutschen Welle in Berlin. Als dort ein Sportmoderator kündigte, wurde ihr der Job angeboten. Und als sie nach drei Jahren etwas anderes wollte, brachte ihr Agent sie mit CNN in London in Kontakt.

Von Marcel Reif empfohlen

"Ich hatte Glück", sagt sie. Vor mehr als einem Jahr wurde die damalige CNN-Frau dem Sky-Chefkommentator Marcel Reif empfohlen. Der mochte die Ausstrahlung der jungen Kollegin, leitete Lebenslauf und Moderationsausschnitte zur Konzernzentrale weiter. Im April unterzeichnete Abdo einen Drei-Jahres-Vertrag.

In England oder Amerika beginnt man etwas Neues, wenn man an den Erfolg glaubt", sagt Kate Abdo, "in Deutschland meinen viele: 'Was es noch nicht gibt, braucht man auch nicht." Sie findet das schade. In Deutschland gab es bisher keinen Sportnachrichtenkanal. Auch Sky Sport News HD, der 24 Stunden täglich live berichtet - von 6 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts mit Moderation - muss sich die Frage gefallen lassen.

Kate Abdo wird Head Anchor sein, das Sendergesicht. Sie durfte mitentscheiden, wer ihre 13 Moderationskollegen werden. Sie und die Senderchefs wählten N24- und Deutsche-Welle-Ansager aus, aber auch jemanden vom eingestellten Computer-Sender Giga. In Zweierteams werden sie von Donnerstag um 12 Uhr an hinter dem Nachrichtentisch sitzen, in vier Schichten täglich.

Im Dezember strahlt Sky seinen neuen Kanal unverschlüsselt aus, von Januar an bleibt er für Sky-Abonnenten freigeschaltet. Das Durchschnittsalter der Moderatoren liegt bei 30 Jahren. Nicht viel anders sieht es bei den meisten der insgesamt 200 Reporter, Redakteure, Techniker und Mediengestalter aus. Nur wenige heben den Altersschnitt, wie etwa der ehemalige BR-Reporter Uli Köhler.

Kate Abdo ist frisch, ansehnlich und hat Fernseherfahrung. Sie versinnbildlicht, was wir mit Sky Sport News HD erreichen wollen", sagt Roman Steuer. Der 47-Jährige arbeitet seit 1999 für die Sportredaktion des Konzerns, der damals noch Premiere hieß. Er hat sich den Sender ausgedacht. Nun sitzt Steuer in seinem gläsernen Büro im ersten Stock der Sky-Zentrale in Unterföhring und erzählt, warum Eilmeldungen bei seinem Sender Breaking News heißen, dass seine Prime Time der Vorabend ist, dass der Kanal auch via iPhone und iPad zu empfangen sein wird.

Während er redet, starrt er auf die Bildschirme an der Wand. Dort laufen Sky Sports News und Sky Sport 24, das britische und italienische Vorbild des Senders. Auf einem dritten Fernseher sind Testsendungen zu sehen, die ein paar Meter weiter im Studio gedreht werden. Unten eine Nachrichtenleiste, rechts Platz für Tabellen. Viel Rot, viel Blau. Filme, die ins Bild fliegen; Infografiken, die aufpoppen. Das soll den Kanal für Kneipen und Fitnessstudios attraktiv machen. Auch wer den Ton abdreht, wird informiert.

Das Sendeschema sieht monoton aus. Die Nachrichten werden in 27-minütigen Blöcken präsentiert, es wird Schaltgespräche mit den übers Land verteilten 22 Reportern geben, die von den Trainingsplätzen der Bundesligaklubs berichten. "Fußball macht rund 80 Prozent der Berichterstattung aus", sagt Steuer, "da gibt es einfach die besten Geschichten." Von der Biathlon-WM oder dem Superbowl wird dennoch berichtet, meist mit einem Team vor Ort. Steuer kaufte die wichtigsten News-Rechte zusammen, also die Kurzberichterstattung, um auch von Ereignissen Ausschnitte zeigen zu können, die Sky nicht ausstrahlt, wie Ski alpin, Basketball oder die Fußball-EM. Das auf anderen Sky-Sendern ausgestrahlte Live-Programm soll vom neuen Kanal profitieren. Vor einer Woche wurde der Neuerwerb der Rechte an der italienischen Serie A verkündet.

Lockerer soll er werden, der Bezahlsender

Kate Abdo bloggt seit Wochen über Testsendungen, Pressetermine oder Erkältungen. Das soll dem Sender Authentizität verleihen - und eine gewisse Lockerheit. Zum ersten Mal in der Geschichte des Konzerns produziert Sky Sendungen selbst. Dadurch habe sich die Atmosphäre im Haus verändert, ist auf den Fluren zu hören. Früher nahmen selbst Mitarbeiter Sky eher als sterile Plattform wahr. Plötzlich sind überall Kabel, Kameras und aufgeregte Menschen mit Klemmbrettern zu sehen. "Nun erst machen wir richtiges Fernsehen", sagt ein Mitarbeiter.

Vor einem Jahr schrieb Roman Steuer sein Konzept auf Whiteboards. Verkürzt lautete es: Nachrichten statt Panzer-Dokus und "Sexy Sportclips". Vorstandschef Brian Sullivan zögerte, dann stimmte er zu. Finanziert wird der Sender aus Abo-Gebühren und Werbung (maximal sechs Minuten pro Stunde). Sky-Hauptaktionär Rupert Murdoch schoss 48 Millionen Euro zu. Die sollen bis 2014 zurückgezahlt sein.

Was Murdoch erwartet? Steuer nennt nur weiche Ziele. Quoten seien irrelevant, profitabel müsse Sky Sport News erst mal nicht sein. Es gehe darum, Nachrichten zu generieren, zitiert zu werden und so der Marke Sky mehr "Aufmerksamkeit und Wertigkeit" zu verschaffen. "Die Zuschauer sollen merken, was sie all die Jahre vermisst haben", sagt er und erzählt, wie das britische Sky Sports News am 31. August über die ablaufende Transferperiode in der Premier League berichtete. Die Moderatoren befragten die vor Klubhäusern wartenden Reporter, sie schalteten von Verein zu Verein, eine Countdown-Uhr stets im Bild. Millionen Briten schauten zu. Es war der erfolgreichste Tag in der Geschichte des Sportnachrichtensenders. Ob jemand das zuvor vermisst hatte, ist dann ja eigentlich egal.

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SZ vom 01.12.2011/rela/gr
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