Das Fernsehen will ein Spiegel der Realität sein, doch wenn die Realität nicht ins Fernsehen passt, dann schafft es sich eben seine eigene. Was das ZDF an diesem Freitag ziemlich kleinlaut zu vermelden hatte, ist mehr als eine peinliche Panne. Es ist schlichtweg Betrug.
Nach vier Tagen des Herumdrucksens (und offenbar nach langwierigen internen Untersuchungen) hat das ZDF nun zugebenen, beim Ranking seiner Show Deutschlands Beste! mit Johannes B. Kerner in der vergangenen Woche nicht geschlampt, sondern handfest manipuliert zu haben. Programmdirektor Norbert Himmler sprach von einem groben "Verstoß gegen die Programmrichtlinien des ZDF", der nicht zu rechtfertigen sei. Das schade "der Glaubwürdigkeit des ZDF". Arbeitsrechtliche Konsequenzen würden geprüft. Man kann sich vorstellen, dass die Stimmung am Lerchenberg in den vergangenen Tagen etwas angespannt gewesen sein dürfte.
Konkret erklärt das ZDF das Geschehene nun folgendermaßen: Für die Wahl der beliebtesten Deutschen (50 Frauen und 50 Männer) wurden drei verschiedene Umfragen durchgeführt, eine Befragung mit Hilfe des Meinungsforschungsinstituts Forsa, ein Online-Voting und ein Leseraufruf der Fernsehzeitschrift Hörzu. Dass da nicht alles so lief wie behauptet, war Anfang der Woche von Journalist Stefan Niggemeier und dem Medienmagazin Zapp entdeckt worden, sie warfen dem ZDF vor, sich bei der Auswertung nur auf die Forsa-Umfrage gestützt zu haben und die anderen beiden Abstimmungen außen vor gelassen zu haben. Das hatte das ZDF erst bestätigt und dann wieder halb zurückgenommen - Hörzu und Online-Voting seien schon eingeflossen, aber man wisse nicht genau, in welchem Umfang.
Es wird ernst
Das an sich war alles schon peinlich genug, aber was jetzt ans Licht kommt, ist noch ein ganzes Stück ernster. Tatsächlich hat der Sender, wie es jetzt in der Mitteilung heißt, die Umfrageergebnisse bewusst manipuliert. Online-Voting und Hörzu spielten tatsächlich keine Rolle, trotzdem sind die Endergebnisse nicht identisch mit denen der Forsa-Umfrage. An den vom Meinungsforschungsinstitut erhobenen Ergebnissen wurden Veränderungen vorgenommen, "die den Zweck hatten, angefragten Gästen der Show einen attraktiveren Rangplatz zu geben."
Johannes B. Kerner und das ZDF:Laues Lüftchen
Zu Sat 1 geflüchtet, reumütig zurückgekehrt und mittlerweile wieder im Wegmoderier-Modus: Johannes B. Kerner präsentiert im ZDF die zweiteilige Show "Deutschlands Beste!". Und träumt dabei vielleicht ein wenig von der Fußball-WM 2018.
Das heißt: Wer sich die Mühe machte, abends in der Show bei Johannes B. Kerner auf der Couch zu sitzen, der sollte dann zum Dank auch einen ordentlichen Platz im Ranking bekommen. Der Gedanke an den ADAC, der das Ranking zu seinem Autopreis "Gelber Engel" nach Gutdünken auswürfelte anstatt sich an die Ergebnisse der Leserbefragung in der Zeitschrift Motorwelt zu halten, lässt sich da schwer vermeiden.
Das Vorgehen des ZDF erinnert auch an die zahllosen Galas und Preisverleihungen, die überall auf der Welt jedes Jahr stattfinden und die sich alle mit möglichst glamouröser Prominenz schmücken wollen. So gewinnt den goldenen Haargummi und die silberne Gangschaltung eben der Promi, der sich auf den Weg zur Gala macht und sich dort fotografieren lässt. Das kann man grundsätzlich schon bizarr finden. Dass ein gebührenfinanzierter Sender aber nach diesem Prinzip seine Fernsehshows gestaltet, ist nicht bizarr, sondern ein Skandal. Dazu kommt, dass ein Prominenter bei so einer Gala natürlich weiß um die Motive hinter seiner Auszeichnung. Beim ZDF geschah das taktische Neuranking der Prominenten eigenen Angaben zufolge "ohne Wissen der eingeladenen Gäste". Der Sender hat nicht nur sein Publikum, sondern auch seine "Besten" verschaukelt.
Zu Gast bei Johannes B. Kerner am Mittwoch und am Donnerstag der vergangenen Woche waren unter anderem Franz Beckenbauer, Claus Kleber und Michael "Bully" Herbig - und alle drei haben innerhalb der Rangliste ordentlich Karriere gemacht. Während die von Forsa befragten Menschen Franz Beckenbauer auf Platz 31 gewählt hatten, beförderte ihn das ZDF auf den neunten Rang. Kleber rückte von Platz 39 auf Platz 28 auf. Peter Kloeppel, Nachrichtenmoderator beim Konkurrenten RTL und nicht Gast von Kerner, wurde von Rang 27 auf Platz 39 verschoben und stand so plötzlich deutlich hinter ZDF-Mann Kleber. Bei den Frauen schob man Helene Fischer, zwar letztlich nicht in der Show aber auch ein ZDF-Gesicht, von Platz zehn auf Platz fünf. Man muss sich und seinen Arbeitgeber für ziemlich unantastbar und den Zuschauer für ziemlich unbedeutend halten, um das eine clevere Idee zu finden.
Claus Kleber zumindest, seit Kurzem leidenschaftlicher Twitterer, ließ sich am Freitag bei dem Kurznachrichtendienst über die "Idioten" bei seinem Sender aus und entschuldigte sich bei Peter Kloeppel. Bei der Programmzeitschrift Hörzu, die dem Zuschauerranking fast vier Seiten gewidmet hatte, reagierte man auf die Beichte des ZDF nun moderater im Ton als noch Anfang der Woche auf die ersten Verdächtigungen. Am Dienstag hatte man noch von möglichen rechtlichen Schritten gesprochen. Am Freitag teilte der Verlag nun mit, man sei "überrascht" und "irritiert". Es handele sich jedoch um ein singuläres Ereignis, das bei zukünftigen Kooperationen nicht im Wege stehen müsse.
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Programmdirektor Norbert Himmler entschuldigte sich am Freitag bei den Zuschauern und erklärte, der ZDF-Fernsehrat werde sich nun mit spezifischen Regeln für Voting-Shows und den Befragungsmethoden beschäftigen; sein Chef, Intendant Thomas Bellut, hatte den Verwaltungsrat am Freitag über das Drama um Deutschlands Beste! informiert. Es dürfte nicht die letzte Krisensitzung in Mainz gewesen sein.