Zu Beginn des Dokumentarfilms steht auf dunklem Hintergrund geschrieben: „Der Film basiert auf heimlich gedrehtem Bild- und Tonmaterial, das aus Iran geschmuggelt wurde.“ Reyhaneh Jabbaris Worte hat ihre Mutter Shole Pakravan beim Telefonieren heimlich auf Band festgehalten. Unter anderem dieses Material verwendet der Film, um Jabbari selbst ihre eigene Geschichte erzählen zu lassen: wie sie sich gegen eine Vergewaltigung gewehrt hat, sieben Jahre dafür im Gefängnis saß und zum Tode verurteilt wurde. Die iranische Schauspielerin Zar Amir Ebrahimi leiht Jabbari im Film ihre Stimme.
2007 war Jabbari 19 Jahre alt, Studentin, verlobt und wohnte noch bei ihren Eltern. In diesem Sommer lernte sie einen älteren Mann kennen. Er beauftragte sie, sein Büro umzugestalten. Als sie zum vereinbarten Termin eintraf, bemerkte sie schnell, dass es sich um eine private Wohnung handelte. Morteza Abdolali Sarbandi, ein plastischer Chirurg und ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter, hatte sie unter falschem Vorwand eingeladen. Als er übergriffig wurde, fasste Reyhaneh Jabbari nach einem Messer, um sich gegen eine Vergewaltigung zu wehren. Sie wollte schreien, bekam aber keinen Ton heraus, wie sie später berichtet. „Ich hab’ meine Hand gehoben, meine ganze Kraft zusammen genommen und zugestochen, mit meiner Seele, meinen Träumen und Wünschen.“
Sarbandi verblutet noch am Tatort. Jabbari wird kurz darauf festgenommen und inhaftiert. Sie wird gefoltert und erpresst, bis sie ein falsches Geständnis ablegt. Es soll ein Mord aus politischen Gründen gewesen sein, mit Sarbandi habe sie außerehelichen Kontakt gehabt, dafür allein wird sie sofort mit 30 Peitschenhieben bestraft.
Regisseurin Steffi Niederzoll und Jabbaris Mutter Shole Pakravan veröffentlichten gemeinsam bereits das Buch Wie man ein Schmetterling wird – Das kurze, mutige Leben meiner Tochter Reyhaneh Jabbari, ihr gemeinsamer Film kam 2023 bei der Berlinale heraus und erhielt viele Preise. Der Schmetterling kam in den Titel, weil er auf das Tuch gestickt war, das Jabbari beim letzten Treffen vor ihrer Hinrichtung getragen hatte, sagt die Mutter.
Sie könnte noch leben, wenn sie ausgesagt hätte, dass es keinen Vergewaltigungsversuch gab
Eineinhalb Jahre nach der Festnahme begann der Prozess, ein unfairer Prozess, in dem das Wort eines Mannes schwerer wiegt als das einer Frau und ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter und Familienvater kein Vergewaltiger sein kann. Wenn Jabbari den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung widerrufen hätte, würde sie vielleicht noch leben, Sarbandis Familie hätte sie dann „begnadigen“ können. Jabbari sagt trotzdem aus, was sie erlebt hat und setzt sich für die Rechte von Frauen ein. Das endgültige Gerichtsurteil wird 2009 verkündet. Jabbari wird dazu verurteilt, dass an ihr Blutrache genommen werden kann, Erhängen am Strang.
Die nächsten fünf Jahre kämpft Reyhaneh Jabbari um ihr Leben und um das von Gefängnisinsassinnen, denen ähnliches widerfahren ist. Ihre Mutter Shole Pakravan unterstützt sie dabei. Am 25. Oktober 2014 wird Jabbari hingerichtet. An jenem Tag sitzt ihre Mutter auf dem Beifahrersitz eines Autos, hoffnungsvoll auf ein Lebenszeichen ihrer Tochter wartend, als eine Frau zum Auto läuft, die Tür aufreißt und sie umarmt. „Ist es vorbei? Wurde sie hingerichtet?“ Schweigen.
Jabbaris Kampf um Gerechtigkeit und für die Rechte der Frauen führt ihre Mutter heute noch weiter. Der Film erzählt chronologisch und wunderbar geradlinig davon, wie Jabbari zu einer Art Märtyrerin wird. Weil im Film von Expertenstimmen oder einer größeren Einordnung abgesehen wird, bleibt es ihren engsten Vertrauten überlassen, ein Bild von Jabbaris letzten Jahren zu zeichnen: von ihrem widerständigen Aktivismus und dem ihrer Mutter – ein revolutionärer Akt gegen das patriarchale iranische Regime.
Sieben Winter in Teheran, in der ARD-Mediathek.