SZ: Frau Kekilli, beim Bundesfilmpreis sind Sie als Gewinnerin auf die Bühne gegangen und setzten sich erst einmal auf den Boden. Dann baten Sie die Filmproduzenten, Ihnen Rollen anzutragen. Wie genau hatten Sie den Auftritt geplant?
Sibel Kekilli: "Ich möchte, dass man mir etwas Anderes zutraut"
(Foto: dpa)Sibel Kekilli: Überhaupt nicht. Die Konkurrenz war Crème de la Crème, Theaterschauspielerinnen in tolle Rollen. Ich hatte ja schon eine Lola, und ich dachte nicht, dass ich sie wieder bekommen würde.
SZ: Stimmt es, dass Sie bereits auf Ihrem Platz dämmerten?
Kekilli: Wer sagt das denn?
SZ: Ihre Agentin, Sibylle Breitbach.
Kekilli: Na toll, danke Sibylle. Nein, meine Füße waren so geschwollen, ich hatte meine Schuhe ausgezogen und saß gemütlich, lehnte mich zurück. Als Christoph Waltz meinen Namen aufrief, dachte ich: Habe ich mich verhört? Ich hatte einen Blackout, ich hätte fast meine Lola fallen lassen. Alles, was passierte, passierte, da kam meine türkische Ader, kamen meine Gefühle durch. Ich war nur Sibel.
SZ: Ist es sehr deutsch zu denken, so ein Auftritt müsste inszeniert sein?
Kekilli: Vielleicht. Vielleicht ist deutsch, auf die Bühne zu gehen, höflich zu sein, allen zu danken, keinen zu vergessen. Ich war froh, dass ich meine Agentin nicht vergessen habe. Sie hat der Casterin eineinhalb Jahre immer wieder gesagt: Ihr besetzt gerade für Die Fremde, wie wäre es, wenn ihr euch Sibel einmal anschaut. Feo Aladag, die Regisseurin, hatte allerdings zunächst den Wunsch, mit einer unbekannten Schauspielerin zu arbeiten.
SZ: Sie haben seit Gegen die Wand, seit 2004, wenig Rollen angenommen, auch, um nicht in das Rollenklischee der Deutschtürkin zu fallen mit Kopftuch und Döner in der Hand. Trotzdem war es ein Migrationsstoff, der Ihnen auch den zweiten Bundesfilmpreis einbrachte.
Kekilli: Ja, aber man wollte mich ja erst nicht. Und was das Klischee betrifft, kommt es immer auf die Rolle an. Ich habe nie gesagt, dass ich so etwas nie mehr möchte. Und ich habe auch nie gesagt, dass ich kein Fernsehen machen möchte, wie plötzlich überall stand. Wenn ich nach Gegen die Wand einen türkischen Film nach dem anderen gedreht hätte, wäre ich im Klischee gewesen. Ich möchte, dass man mir etwas Anderes zutraut. Und Die Fremde hätte ich auch nicht unmittelbar nach Gegen die Wand machen können.