Sibel Kekilli im Gespräch:"In Deutschland fehlt Mut"

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Sibel Kekilli im Interview: "Ich spiele den Produzenten zum Beispiel deutsche Songs vor."

(Foto: AFP)

In den USA startet die dritte Staffel der Erfolgsserie "Game of Thrones". Auch Sibel Kekilli ist wieder dabei. Ein Gespräch über deutsche Schauspieler in amerikanischen Serien, ihr Englisch und den FC St. Pauli.

Von Katharina Nickel

Die Ankündigung war spektakulär: Bereits im Februar rührte der US-Fernsehkanal HBO die Werbetrommel für seine Erfolgsserie "Game of Thrones", und zwar in der New York Times. Dort zeichnete sich der Schatten eines Drachen auf einer Doppelseite ab, die wie reguläre Berichterstattung aussah, aber keine war. Denn viele solcher Ungeheuer und neue Figuren werden in der dritten Staffel der HBO-Erfolgsserie "Game of Thrones" auftreten, die eine Teil-Adaption von George R. R. Martins Fantasy-Geschichte "A Storm of Swords" aus der Reihe "A Song of Ice and Fire" ist.

Bereits seit der ersten Staffel mit dabei ist Shae, die Geliebte von Tyrion Lannister, alias Sibel Kekilli. Die 32-Jährige feierte in Fatih Akins Berlinale-Siegerfilm "Gegen die Wand" ihren Druchbruch. Seit 2010 ermittelt sie außerdem als Sarah Brandt neben Axel Milberg im Kieler "Tatort". Für "Game of Thrones" steht sie nun auch in den USA vor der Kamera, zwar nicht als einzige Deutsche, aber als bekannteste.

Süddeutsche.de: Sie kommen gerade von der Premiere der dritten Staffel von "Game of Thrones" in Los Angeles zurück. Wie werden Sie als deutsche Schauspielerin in Amerika aufgenommen?

Gut. Ich bemerke bisher keinen Unterschied zu Deutschland. Es macht total viel Spaß mit Schauspielern unterschiedlicher Nationalitäten zusammenzuarbeiten. Außerdem gestalte ich das Set sehr deutsch: Ich spiele den Produzenten zum Beispiel deutsche Songs vor, von Peter Fox, Jan Delay oder Max Schröder & das Love. Ich erkläre ihnen auch gerne, was es mit dem FC St. Pauli auf sich hat und freue mich, wenn sie deren Kapuzenpullis tragen. Als ich bei der Premiere von "GoT" in Los Angeles war, wurde ich als Patriotin betitelt, weil ich ein Outfit eines Berliner Labels getragen habe.

Ihre Kollegin Alexandra Maria Lara sagte mal zu ihrem internationalen Erfolg: "Da kann man sein eigenes Glück eigentlich kaum fassen. Ich stehe dann schon leicht benebelt in der Gegend rum und wundere mich, wie mir eine solche Ehre zu Teil wird." Geht es Ihnen ähnlich?

Ich versuche, das alles einfach nur zu genießen, und freue mich total darüber, dass ich ein Teil davon sein kann.

Für den Feinschliff sorgt der Sprachcoach

Am 31. März läuft in den USA die dritte Staffel von "Game of Thrones" an. Was können die Zuschauer ihrer Rolle Shae erwarten?

Die Produzenten bringen mich um, wenn ich auch nur einen Pieps dazu sage ....

Wird sich Shae charakterlich verändern, und wenn ja, wie?

Meine Lippen sind versiegelt!

Wie gut sprechen Sie mittlerweile Englisch? Focus Online sagten Sie einmal, dass Ihr Kollege Peter Dinklage Sie am Anfang damit aufgezogen hätte.

Peter Dinklage hat sich immer darüber lustig gemacht, dass ich seine Witze in Englisch nicht verstehe. Wenn man einen Witz in Zeitlupe wiederholen muss, ist er nicht mehr lustig. Aber kürzlich sagte er mir, mein Englisch sei so gut geworden, dass er leider jetzt keine Witze mehr über mich machen könne. Mit anderen Worten: Ich verstehe jetzt alles und man versteht mich endlich auch. Für den Feinschliff sorgt dann unser Sprachcoach am Set.

Wieso, glauben Sie, ist "Game of Thrones" derart erfolgreich?

Eine gute Frage, ich weiß es nicht. Kann man darauf überhaupt eine Antwort finden? Vielleicht müsste man mal die Produzenten fragen. Sicher ist Teil des Erfolgs, dass die Spannung über all die Episoden gehalten wird. Es geht um Hierarchien und Machtkämpfe, die sich in einer anderen Welt abspielen. Vielleicht ist es das Abtauchen in diese andere Welt, das so faszinierend ist. Aber ich kann nur spekulieren.

Franka Potente mimt gerade in der BBC-Serie "Coppers" eine Bordell-Besitzerin. In welcher anderen englischsprachigen Serie würden Sie gerne einmal mitspielen?

Ach, ich bin total glücklich mit "Game of Thrones", aber ich würde schon auch gerne in anderen Serien mitspielen, zum Beispiel in der aktuellen Sherlock-Holmes-Serie aus England. Dann würde ich gerne noch bei "Homeland" mitspielen, bei "Downtown Abbey", bei "In Treatment". Soll ich noch mehr aufzählen? Abgesehen davon, hätte ich auch nichts dagegen, mal in einer guten deutschen Serie oder Reihe mitzumachen. Ich mochte beispielsweise "Im Angesicht des Verbrechens" super gerne.

Viele Medien schrieben, Sie wären die einzige Deutsche am "Game of Thrones"-Set. Dabei stimmt das gar nicht. Woher kommt diese Behauptung?

Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich seit der ersten Staffel dabei bin und seitdem eine durchgehende Rolle habe. Ich weiß es nicht.

Wieviel Kontakt hatten Sie am Set zu den anderen beiden deutschen Schauspielern, Tom Wlaschiha und Laura Pradelska?

Laura Pradelska habe ich gar nicht getroffen und Tom Wlaschiha bin ich nur einmal kurz bei der Berlinale im letzten Jahr begegnet und einmal beim Frühstück in Belfast, wo wir gedreht haben. Allerdings hatten wir keine Szenen zusammen.

In der Serie spielen Sie die Geliebte von Lord Tyrion Lannister, dargestellt von Peter Dinklage. Was unterscheidet den echten Peter von Lord Tyrion?

Alles. Angefangen vom Namen bis hin zum Kostüm. Außer den positiven Eigenschaften, die er in seiner Rolle zum Ausdruck bringt - die hat er auch privat.

Welche positiven Eigenschaften sind das genau?

Peter ist ein unglaublich guter Beobachter. Er ist nicht nur intelligent, sondern besitzt auch eine emotionale Intelligenz. Ich mag seinen Humor und ich mag, dass er ein absoluter und liebevoller Familienmensch ist.

Was fehlt, sind Mut und Neugier

Neon zitierte sie mit der Aussage, dass Sie die deutsche Serienlandschaft traurig und einzig das "Tatort"-Konzept mutig finden. Können Sie das näher erklären?

Na ja, wenn es eine gute Serie gibt, wie den "Tatortreiniger", dann wird diese gerne mal ins Spätprogramm verbannt. Ich glaube aber nicht, dass die Zuschauer sich nicht über gute Filme und Serien um 20:15 Uhr freuen würden. Darüber hinaus wird überwiegend nur noch Realitytrash produziert oder die x.te Talk- oder Gameshow. Der "Tatort" greift immerhin gesellschaftsrelevante Themen auf.

Resultiert Ihr Urteil auch aus den Erfahrungen am "Game of Thrones"-Set?

Nein, sondern von meinem Eindruck, was wo produziert wird. Ich für mich kann nur sagen, dass die meisten guten Serien aus den USA, England oder den skandinavischen Ländern kommen. Es kommt mir vor, als fehle den Machern hier der Mut für neue, experimentelle Produktionen und den Zuschauern die Neugier, vorurteilsfrei einfach mal neue Sachen anzunehmen. Denn von der Seite wird schnell mal gemeckert, wenn zum Beispiel im "Tatort" der Täter am Ende mal nicht gefasst wird.

Was unterscheidet im Allgemeinen deutsche Fernsehproduktionen von amerikanischen?

In Deutschland fehlt hier oftmals der Mut zu extremeren Inhalten. Wenn etwa in "CSI Miami" mit den modernsten Techniken ermittelt wird, dann wird das als selbstverständlich angesehen. Hier aber wäre der Aufschrei schon beim Ansatz von modernster Technik riesengroß. In Deutschland sorgt ja manchmal schon ein kleines iPad für große Wellen. Oder stellen Sie sich mal eine Geschichte wie "Walking Dead" auf Deutsch vor. Eine Geschichte über Zombies in der heutigen Zeit. Ich glaube, nach ein oder zwei Episoden wäre so eine Serie tot.

Wie steht es um zukünftige Projekte? Planen Sie weitere in den USA?

Das kann man nicht planen. Ich konzentriere mich weiterhin auf Deutschland, da man in den USA bestimmt nicht auf deutsche Schauspieler wartet. Aber ich bin offen. Wenn sich etwas ergibt, warum nicht?

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