Süddeutsche Zeitung

Sexuelle Belästigung:Immer mehr Betroffene melden sich beim WDR

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Intendant Tom Buhrow gibt sich vor dem Rundfunkrat des Senders als entschlossener Aufklärer, steckt aber in einem Dilemma.

Von Hans Hoff

Bereits 16 Frauen haben sich inzwischen einer der vom WDR eingerichteten Anlaufstellen für Betroffene von sexueller Belästigung anvertraut. "Auch bei Vorgesetzten melden sich mehr und mehr Betroffene", berichtete Intendant Tom Buhrow am Dienstag vor dem Rundfunkrat des Senders.

In der Sitzung des Aufsichtsgremiums gab sich Buhrow als entschlossener Aufklärer, beschrieb aber auch das Dilemma, in dem er steckt, seit gegen Sendermitarbeiter mehr und mehr Vorwürfe sexueller Belästigung laut geworden sind. Einerseits habe er die Belange der Opfer zu berücksichtigen, sei aber auch den Beschuldigten gegenüber verantwortlich. Das schließe ein, dass er auf der einen Seite wegen einer angeblich verspäteten Freistellung gescholten werde, kurz darauf aber wegen einer angeblich verfrühten Freistellung. "Als Arbeitgeber sind wir verpflichtet, beiden Seiten gegenüber gerecht zu bleiben. Das schränkt natürlich die Möglichkeiten zu öffentlichen Stellungnahmen ein", sagte er und machte klar: "Ich lasse mich weder in der einen noch in der anderen Richtung von meinem Kurs abbringen, korrekt aufzuklären". Der Intendant ist offenbar auch bereit, über den Umgang mit Mitarbeitern insgesamt zu reden: "Me Too ist das Kernthema, aber es gibt darüber hinaus Unbehagen und Frust, die sich hier Bahn brechen."

Im Gegenzug bekam Buhrow vom Aufsichtsgremium viel Zuspruch, aber auch einige, wenn auch wenige Bedenken. "Es gibt ganz offensichtlich Defizite in der Unternehmenskultur", sagte der frühere Phoenix-Redakteur Jürgen Bremer, und Karin Knöbelspies, Mitglied im WDR-Rundfunkrat, machte sich Sorgen um das Haus. "Der Schaden nach außen ist groß, aber der Schaden intern scheint viel größer." Als externe Ermittlerin soll die frühere Gewerkschaftsfunktionärin Monika Wulf-Mathies wie berichtet nun die Aufarbeitung leiten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Karin Knöbelspies Grünen-Landtagsabgeordnete sei. Dies ist falsch. Frau Knöbelspies ist auf Vorschlag der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in den WDR-Rundfunkrat entsandt worden und nicht Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2018
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