Serienfiguren werden real:Der Bro-Code

Der Münchner Riva-Verlag nahm mit der ratgeberschreibenden Serienfigur eine Idee wieder auf, mit der er schon einmal großen Erfolg gehabt hatte. Im Jahr 2010 brachte der Verlag ein Buch nach Deutschland, das es in den USA auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft hatte. Barney Stinson, eine der Hauptfiguren der Sitcom How I Met Your Mother über fünf Freunde in New York, gibt in Der Bro Code in 150 Geboten Ratschläge für ein ordentliches Miteinander zwischen Mann und Mann - von "Bruder vor Luder" bis "Kein Sex mit deines Bros Ex". Das Frauenbild in diesem Werk ist, wenig überraschend, eher fragwürdig; 2013 konnte dennoch eine 19. Auflage gedruckt werden.

Bücher und Twitterauftritte von Serienfiguren sind in erster Linie natürlich sehr geschickte Werbemaßnahmen und Merchandising-Produkte von Produktionsfirmen, die neben der Fernsehvermarktung, neben T-Shirts, Tassen und sonstigem Klimbim auch auf dem Buchmarkt mit ihren Figuren Geld verdienen können. Und wo könnte man den jungen Leser, der vielleicht zögert ob der Entscheidung, Geld in das gute alte Buch zu investieren, besser finden als dort, wo er ohnehin sitzt: vor der Glotze? Beziehungsweise: Und wo findet man Menschen, die mehr Zeit im Internet verbringen als vor ihrem Fernseher, wenn nicht im sozialen Internet?

Auch an Ole Peters Leben kann man bei Facebook teilnehmen, und Frank Underwood, die geniale Hauptfigur aus der Politserie House of Cards, twittert für knapp 24 000 Abonnenten über sein Leben als hervorragend skrupelloser Politstratege in Washington. Kommende Woche startet die zweite Staffel House of Cards. Frank Underwood hat bei Twitter auch selbst dafür gesorgt, dass ihn in der Zwischenzeit keiner vergessenen hat.

Zuschauer werden Teil der Erzählung

Wenn man von Mike Ross angeschrieben wird, oder sich vom Womanizer Barney Stinson Tipps für das möglichst unfallfreie Leben als Kerl geben lässt, integriert sich ein erfundener Seriencharakter quasi fugenfrei in das Leben seiner Fans. Der Leser und Zuschauer selbst wird Teil der Erzählung. Die klassische Dramentheorie analysiert die Kommunikation von Figuren untereinander und die Kommunikation des Dramatikers mit dem Publikum, und auch dort kennt man das Prinzip natürlich schon. Die Absolutheit des Dramas kann durchbrochen werden, eine fiktive Figur aus einem Theaterstück kann also das Publikum direkt ansprechen, die Fiktion durchbrechen.

Auch Frank Underwood in House of Cards zum Beispiel richtet immer wieder den Blick in die Kamera, um seinen Zuschauern seine Sicht auf die Dinge ins Gesicht zu sagen. Dass die Figuren eines klassischen Dramas ihre Zuschauer aber nicht nur von der Bühne aus direkt ansprechen, sondern auch bis nach Hause verfolgen, das ist neu. Die Fiktion wird ins Netz oder in den Buchladen erweitert. Erfolgsrezept ist das Spiel mit der Illusion, dass eine Figur aus meiner Lieblingsserie tatsächlich mein Freund werden könnte.

Das Leben von Serienfiguren im Netz hält übrigens sogar weit über das Ende hinaus. Der Monaco Franze, 1981 vom Bayerischen Rundfunk produziert und bis 1983 im Fernsehen, hat fast 10 000 Facebook-Freunde. Aber der Monaco Franze ist auch eigentlich gar nicht mehr fiktiv, sondern überhaupt unsterblich.

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