"Ted Lasso" auf Apple TV+:Was für ein Vollidiot

"Ted Lasso" auf Apple TV+: Wie will Ted Lasso (Jason Sudeikis, M.) sich durchsetzen?

Wie will Ted Lasso (Jason Sudeikis, M.) sich durchsetzen?

(Foto: AP/AP)

Ted Lasso ist eine fiktive Figur aus "Saturday Night Live". Nun bekommt die Fußball-Trainerniete eine eigene Serie. Aber trägt das Konzept?

Von Harald Hordych

Wieso? Diese Frage stellt die Serie Ted Lasso praktisch im Sekundentakt. In der ersten Pressekonferenz des neuen Trainers vom fiktiven Premier-League-Klub AFC Richmond übernehmen die Pressevertreter diese Aufgabe mit aller gebotenen Gemeinheit: Warum sind Sie hier?, fragt der schnöselige Reporter des Independent. Da hatte Ted Lasso gerade selbstbewusst erklärt, dass man das Internet zwei Mal mit seinem Nichtwissen über Fußball füllen könnte.

Das Setting dieser Comedy-Serie klingt erst einmal reichlich gewollt, zu konstruiert. Kaum zu glauben, dass es dann doch so gut funktioniert: Der mäßig erfolgreiche Football-Trainer Ted Lasso aus Kansas hat das einerseits verlockende, andererseits irrwitzige Angebot angenommen, einen Londoner Klub aus der hochkarätigsten Fußballliga der Welt, der Premier League, zu betreuen.

Dieser Ted Lasso hat etliche cineastische Vorfahren, die lange vor ihm als US-amerikanischer Kulturimport über den Atlantik gereist sind, um auf unbekanntem Terrain von einem Fettnäpfchen ins nächste zu hechten. Allen voran John Wayne und Clint Eastwood, die als harte Cowboy-Cops mit den europäischen Weicheiern aufräumten. Der Unterschied bestand darin, dass Leute wie Dirty Harry ihr Handwerk beherrschten und wussten, warum sie hinlangten. Bei Ted Lasso hingegen ist es umgekehrt, der Amerikaner ist das Weichei, ein Fußball-Laie - und die englischen Fußballprofis sind die Cowboys.

Ted Lassos Geburtsstunde schlug bereits 2013, als der Saturday Night Live-Profi Jason Sudeikis erstmals in diese Rolle schlüpfte. Er schrieb Sketche auf der Grundlage dieser Idee für den TV-Sender NBC, um den Amerikanern europäischen Fußball schmackhaft zu machen. Der Gag funktioniert für ein paar Minuten - aber trägt das Konzept eine ganze Serie?

Wieso? Mit der erhellenden Beantwortung dieser ätzend vernünftigen Frage bekommt der Ted-Lasso-Spuk jenes Maß an Bodenhaftung, damit eine wahnsinnige Ausgangsbasis mit jeder Menge Situationskomik, abgründigem Dialogwitz, liebenswertem Humor und Tempo für beste Unterhaltung sorgen kann. Denn nach 20 Minuten der ersten Folge sagt die allmächtige Klubchefin die entscheidenden Worte über ihren neuen Trainer: "Was für ein Vollidiot." Rebecca hat nach der Scheidung den Klub ihres Mannes zugeschlagen bekommen, der sie mit unzähligen Affären verletzt und lächerlich gemacht hat. Ihre Rache wird sein, systematisch den Niedergang des von ihrem Gatten geliebten Klubs herbeizuführen. Der wichtigste Baustein ist das Engagement der größten Trainer-Niete, derer sie weltweit habhaft werden konnte.

So weit, so lustig, aber Jason Sudeikis und Mitautor Bill Lawrence haben neben ausgezeichneten Schauspielern wie Hannah Waddingham als Rebecca sowie Phil Dunster und Brett Goldstein als nervige Fußballstars noch einige Drehbuch-Trümpfe im Ärmel. Der allerbeste: Ted Lasso ist nicht allein. Angloamerikanische Cheftrainer haben etwas von Frühstücksdirektoren, die Arbeit auf dem Trainingsplatz verantwortet der Coach. Der wortkarge Brummbär Beard (Brendan Hunt) hat sich im Flugzeug viel Wissen über Fußball angelesen und ist ein Leistungssport-Profi. Ted Lasso ist für die Ansprachen in der Kabine und das große Ganze verantwortlich. Dieses große Ganze füllt er mit seiner Idee überbordender Menschlichkeit. Lasso ist ein vollkommen überzeugter Menschenfreund, frei von jedem Zweifel an seiner Haltung, und so gesehen wiederum klischeehaft amerikanisch in seinem von nichts zu erschütternden ignoranten Selbstvertrauen. Wie man eine Welt, die nicht geliebt werden will, mit unbeirrbarer Liebe auf den Kopf stellen kann, ist das Thema einer Fußball-Serie, die mehr in der Kabine als auf dem Fußballplatz spielt.

Der Tollpatsch überlebt, indem er den Platzwart nach dessen Namen fragt

Das bringt uns auf die zweite Frage: Wie will sich dieser Ted Lasso in einer Kabine mit infantilen, ichbezogenen, unreifen, aber stinkreichen und superselbstbewussten Profis, die ihn für einen Idioten halten, durchsetzen? Wie will er mit Zuschauern klarkommen, die "Wichser" skandieren, sobald er das Stadion betritt, wie will dieser Tollpatsch in der Premiere League überleben?

Zum Beispiel, indem er als erster Manager den Platzwart nach seinem Namen fragt, sich diesen sogar merkt und sich dann von diesem unsichtbaren größten Fachmann im Klub erklären lässt, was er über seine (berühmten) Spieler wissen muss.

Nicht zu vergessen, seine Art die Welt zu sehen. Als ihm die verbitterte Klubchefin erzählt, dass das Stadion im Weltkrieg als Behelfslazarett diente und manche Leute behaupten, sie würden die gefallenen Soldaten immer noch um den Platz laufen sehen, sagt er beeindruckt: "Spooky!" Die Chefin: "Oh, Sie glauben an Geister?" Worauf Ted Lasso mit einem Lächeln antwortet: "Ja. Aber viel wichtiger ist doch, dass auch die Geister an sich selbst glauben."

Ted Lasso, bei Apple TV+*

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