Serien-Fan Barack Obama:Einer von uns, irgendwie

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Barack Obama steht auf House of Cards.

(Foto: AFP)

US-Präsident Barack Obama verschlingt seine Lieblingsserien wie "House of Cards" noch vor der Ausstrahlung, heißt es. Cool, oder? Aber irgendwie unwahrscheinlich.

Von Martin Wittmann

Vor ein paar Tagen kam die Meldung, dass Barack Obama Vorab-Kopien der neuen Folgen von "True Detective" und "Game of Thrones" bestellt hat, direkt beim Chef des Senders HBO, wahrscheinlich über das rote Telefon. Auch die Serie "House of Cards" schaut er offenbar regelmäßig. Zumindest hat er sich über Twitter Hinweise auf die Handlung verbeten, bevor er die aktuelle Staffel gesehen hat.

Cooler Hund, denkt man im ersten Moment, wie immer bei Berichten aus O.s Privatleben. Die kleinen Meldungen aus dem Weißen Haus zeigen stets, dass der Rap-Hörer, Harry-Potter-Leser, Basketball-Fan, Chili-Kocher und Scrabble-Spieler einer von uns ist, obwohl er als US-Präsident einen dann doch eher ungewöhnlichen Beruf hat.

Obama ist eben ein Lifestyler mit ganz und gar zeitgeistigen Vorlieben. Früher konnte man ja nur schlechten Gewissens fernsehen, weil das Glotzen als Zeitverschwendung galt, mit der eigenen Blödheit entweder als Voraussetzung dafür oder als Folge davon. Doch dank Serien wie "Mad Men" und "Breaking Bad" gehört das Medium heute zur gängigen Bildungsbürgerpflicht. Man muss abends ja die Vorhänge zuziehen, wenn man mal ein Buch liest, damit der Nachbar nicht merkt, dass man nicht fernsieht. "Homeland" gehört auch zum neuen Kanon. Das ist die Serie, von der Obama einmal im Rolling Stone schwärmte, sie sei eine "grandiose psychologische Studie".

Dass der große Obama diese Serien nicht nur mag, sondern davon abhängig sein will, rückt ihn noch näher an uns Normalos heran. Nicht nur, weil es die Bürger schätzen, wenn der Präsident ihren Geschmack teilt und dadurch adelt. Sondern auch, weil Obama sich als willenloses Opfer der Spannungsbögen der Serien outet. Wie jeder Fan muss er noch eine Folge und noch eine allerletzte sehen, bevor der Ernst des Lebens wieder ruft.

Obamatoll

Wie gesagt: Im ersten Moment klingt das gewohnt obamatoll. Im zweiten Moment aber realisiert man, dass die Sache oberfaul ist.

Nicht etwa, weil Obama die Folgen direkt beim Hersteller bestellt. Soll er ruhig, würden wir auch so machen. Dann müssten wir endlich nicht mehr bei Sky, Amazon und Media-Markt einkaufen oder auf ruckeligen Schwarzmärkten herumsurfen (wer nun vorschlägt, einfach wie dazumal zu warten, bis die Folgen - in ein paar Jahren erst und einmal wöchentlich und dann auf Deutsch - im Free-TV laufen, wundert sich hinter seinem Monokel sicher auch noch über all die bunten Farben, die plötzlich aus der Bosch-Röhre flimmern).

Cooler Hund, der Obama

Glaubt man den vorderen Teilen der Zeitung, ist Obama ja nicht weniger neugierig als wir alle. Im Gegenteil, der Mann liebt es offenkundig, seinen Informationsvorsprung zu verteidigen. Aber auch das irritiert nur bedingt: dass nämlich der Präsident seine NSA jegliche Geheimnisse dieser Welt lüften lässt, selbst aber angefasst ist, wenn man ihm den Schluss einer Serie zu verraten droht.

Faul an der Obama-Episode ist vielmehr, dass es normalen Menschen schier unmöglich ist, die genannten Serien komplett zu schauen. Als Nine-to-Five-Büromensch, Five-to-Eight-Elternteil und (im allerwachesten und antisozialsten Fall) Eight-to-Eleven-Serienschauer läuft man den vielen tollen US-Serien aussichtslos hinterher. Selbst gelegentliches Binge Watching, also tagelanges Komaschauen am Wochenende, schönt die Bilanz nur vorübergehend.

In Zahlen: Sechs Folgen von "True Detective" wurden bisher ausgestrahlt, jede dauert 60 Minuten; "House of Cards" hat mit seinen zwei Staffeln mehr als 20 Stunden Laufzeit; die 30 Folgen der drei Staffeln "Game of Thrones" dauern insgesamt knapp 30 Stunden. Nimmt man noch die 36 Folgen von "Homeland" dazu, macht das zusammen mehr als 80 Stunden Fernsehen. Und ausgerechnet US-Präsident Barack Obama will dafür Zeit haben.

Wann bitte soll er das alles schauen? In der Air Force One, bei einem Becher Tomatensaft? Zwischen Nahost-Vermittlung und Gesundheitsreformreform? Oder währenddessen, auf dem Teleprompter? Hat er Angestellte, die für ihn diese Serien schauen und ihn später briefen? Ist am Ende eine DVD-Box schuld, wenn der Präsident wieder mal unkonzentriert rüberkommt?

Volksnaher Hipster

Wahrscheinlicher ist, dass hier ein paar PR-Profis nicht konsequent zu Ende gedacht haben, als sie Obama als volksnahen Hipster verkaufen wollten. Die Geschichte ist jedenfalls unglaubwürdiger noch als die dritte Staffel von "Homeland".

Dessen Hauptdarsteller Damian Lewis wurde übrigens einmal ins Weiße Haus eingeladen. In einer Talkshow erzählte er danach, er habe seinen berühmten Fan bei der Gelegenheit gefragt, wie der das hinkriege. Obamas Antwort: "Am Samstagnachmittag habe ich zu Michelle gesagt, ich müsste arbeiten. Ich bin in mein Büro gegangen, und ich habe mir dort die Folgen angeguckt." So isser, unser Obama. Cooler Hund.

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