Süddeutsche Zeitung

Fernsehen und Streaming:Das sind die Serien des Monats

Passend zum US-Wahlkampf zeigt "Watchmen" ein mögliches anderes Amerika. In "Devs" geht es um mysteriöse Pläne des Silicon Valley. "Lovecraft Country" ist ein grandioser Genre-Mix. Unsere Empfehlungen vom August.

Von SZ-Autoren

Watchmen

Was passiert: In einem alternativen Amerika, in dem Präsident Robert Redford (ja, genau der - ein augenzwinkernder Hinweis auf den ehemaligen Schauspieler und späteren Präsidenten Ronald Reagan) weitreichende Gesetze zu Waffenkontrolle und Reparationszahlungen an die Opfer von Rassismus (sie müssen keine Steuern zahlen) durchgesetzt hat. Dagegen formt sich die maskierte Widerstandsbewegung Seventh Kavalry, die stark an den Ku-Klux-Klan erinnert. Es ist eine Parallelwelt, über der die Frage schwebt: Ist das nun eine schöne neue Ordnung - oder ist diese neue Welt letztlich genauso verkorkst wie die aktuelle Wirklichkeit?

Heimlicher Star: Regisseurin Nicole Kassell hat schon mit Vinyl bewiesen, dass sie eine Meisterin in Choreographie und Erzählstruktur ist. Mit Watchmen dürfte sie nun den Emmy gewinnen.

Nicht geeignet für: Leute, die glauben, dass sich mit einem Erfolg der Partei, die ihre Denkblase bei Wahlen vertritt, irgendetwas ändern würde. Jürgen Schmieder

Zu sehen bei Sky, neun Folgen.

Ted Lasso

Was passiert: Ein mäßig erfolgreicher Football-Trainer aus Kansas wird von der Chefin eines englischen Premiere-League-Klubs zum Chefcoach berufen - und zwar ohne jegliche Kenntnisse vom Spiel mit dem runden Leder aufzuweisen. Die aberwitzige Konstellation entpuppt sich als gemeiner Trick Rebeccas, um sich an ihrem Ex-Mann zu rächen, der nicht nur Seitensprünge, sondern vor allem diesen Klub über alles liebt. Der ahnungslose, aber gnadenlos selbstbewusste und menschenfreundliche Ted Lasso (Jason Sudeikis) startet zu einer Mission Impossible der hinreißend komischen Art.

Heimlicher Star: Der wortkarge Co-Trainer Beard (Brendan Hunt) von Ted Lasso, der sich im Flugzeug alles nötige Wissen über Fußball angelesen hat. Und mit bewundernswertem Gleichmut das genialische Gebrabbel seines Chefs über sich ergehen lässt.

Nicht geeignet für: Humorlose Fußballverehrer. Nerds werden vergeblich auf filmische Fußball-Leckereien warten. Entscheidend ist hier nicht auf dem Platz, sondern was in der Kabine passiert (und erst dann aufm Platz). Es menschelt, ohne Doppelpass und Traumtor. Harald Hordych

Zu sehen bei Apple TV+, fünf Folgen.

Devs

Was passiert: Ein futuristischer Betonklotz steht inmitten einer Lichtung, ein riesiger Fremdkörper im sonst so unspektakulären Wäldchen. Klammheimlich und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen wird hier geforscht, an Quantencomputern, deren Berechnungen höchst philosophische Erkenntnisse über die menschliche Natur ausspucken. Der KI-Experte Sergei (Karl Glusman) wird nach seinem ersten Arbeitstag dort mundtot gemacht. Seine Freundin Lily (Sonoya Mizuno) begibt sich daraufhin auf eine gefährliche Suche nach der Wahrheit.

Heimlicher Star: Ein Obdachloser namens Pete (Jefferson Hall), der sich ungefragt und nonchalant unter dem überdachten Hauseingang von Lily einquartiert hat, ist unter all den vom Berufsstress unterkühlten Menschen eine warmherzige Person.

Nicht geeignet für: Tech-Experten, die bis ins kleinste Detail die hier vorgestellten Wunder des Silicon Valley hinterfragen. Vorrangig geht es um menschliche Intrigen und Abgründe, nicht um technologische Abhandlungen. Johannes Nebe

Zu sehen bei Sky und Fox, acht Folgen.

Biohackers

Was passiert: Medizin-Erstsemesterstudentin Mia (Luna Wedler) will den Tod ihres Bruders aufklären. Dafür sucht sie die Nähe ihrer Dozentin Tanja Lorenz (Jessica Schwarz), die illegale Genetik-Experimente durchführt. Spannendes Duell zwischen zwei Frauen, die für ihre jeweilige Mission moralische Grenzen überschreiten.

Heimlicher Star: Mias Mitbewohnerin Chen-Lu (Jing Xiang), die Serien in 1,5-facher Geschwindigkeit guckt und mindestens ebenso schnell spricht, Pilze züchtet, die nach Fleisch schmecken, damit Massentierhaltung obsolet wird, und mit ihrem Genetikwissen regelmäßig alle anderen rettet.

Nicht geeignet für: Alle, die kein Blut sehen können. Mias Mitbewohner Ole (Sebastian Doppelbauer) schneidet sich in seinem WG-Zimmer - nach Youtube-Anleitung - die Bauchdecke auf, um sich einen THC-Chip einzusetzen. Der Rest der WG ist wenig begeistert. O-Ton: "Das hat letztes Mal Wochen gedauert, bis die Blutflecke aus dem Parkett raus waren." Kathrin Hollmer

Zu sehen bei Netflix, sechs Folgen.

Lovecraft Country

Was passiert: Drei schwarze Amerikaner reisen in den Fünfzigerjahren von Chicago nach Massachusetts, denn dort ist der Vater des einen genau in der Gegend verschwunden, in der viele der Gruselgeschichten des realen Horrorautors H. P. Lovecraft spielen. Um ihn zu finden, müssen die drei nicht nur spitzzähnige Monster und eine Geheimgesellschaft austricksen, sondern auch all das überleben, was Schwarze damals (und zum Teil noch heute) in den USA bedroht: rassistische Cops, rassistische Diner-Betreiber und ganz generell die Allgegenwart der Unterdrückung. Die schlaue, spannende, vielschichtige Serie beruht auf dem gleichnamigen Roman von Matt Ruff von 2016.

Heimlicher Star: Heimlich ist an den Starqualitäten von Jurnee Smollett eigentlich gar nichts. Sie spielt Leti, die Kindheitsfreundin von Hauptfigur Atticus, als politisierte, aufsässige und ganz einfach wahnsinnig souveräne junge Frau, die wirkt, als wäre sie aus der Zukunft in die Fünfziger gebeamt worden. Smollett steht vor der Kamera, seit sie sieben ist. Warum, um alles in der Welt, ist sie noch nicht berühmt?

Nicht geeignet für: Fans des reinen, bierernsten Horrors. "Lovecraft Country" ist ein wilder Genre-Mix mit Witz und Spoken-Word-Beiträgen schwarzer Intellektueller auf der Tonspur. Kein Wunder: Einer der Produzenten ist Jordan Peele, dessen großartige Horrorgesellschaftssatire "Get Out" 2018 einen ähnlichen, hochmodernen Ton hatte. Kathleen Hildebrand

Zu sehen bei Sky, zehn Folgen.

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