Süddeutsche Zeitung

Serien-Neuauflage:Heimkehr nach Bel Air

Die legendäre Sitcom "Der Prinz von Bel Air" soll neu aufgelegt werden - als Drama. Nur: War sie das nicht schon immer?

Von Jürgen Schmieder

Bumm-pss, Bumm-bumm-bumm-pss-pss-bumm. Bei nur wenigen Liedern wissen nach den ersten Takten alle, die in den Neunzigern aufgewachsen sind, worum es geht. "Yo Home to Bel-Air" ist so ein Lied. "Now this is a story all about how my life got flipped-turned upside down", heißt es darin. Will Smith sitzt im zugehörigen Video auf einem sich drehenden Thron, er trägt Klamotten, die an einen wilden LSD-Trip erinnern und rappt davon, wie er aus dem Ghetto von Philadelphia in eine der wohlhabendsten Gegenden der Welt kommt, nach Bel Air, einem Stadtteil in Los Angeles. Und wie er, der afroamerikanische Teenager, dort zum Fresh Prince of Bel Air wird.

Das Video war zugleich Vorspann zur Sitcom, die von 1990 bis 1996 in den USA zu sehen war und in Deutschland als Prinz von Bel Air lief. Smith gibt darin den dauerplappernden Quatschkopf Will, der so gar nicht ins reiche, spießige Bel Air passen will. Und sie birgt einen der witzigsten Momente der TV-Geschichte, wenn Smith' TV-Cousin Carlton Banks zu "It's Not Unusual" von Tom Jones tanzt, das Meme ist selbst im Videospiel Fortnite zu sehen. Dieses Sujet wird nun neu erzählt - als Drama.

Was bei genauerer Betrachtung gar nicht so verwunderlich ist, war Prinz von Bel Air doch immer auch eine Sozialstudie.

Die Serie thematisierte den kapitalistischen Klassenkampf in den USA - und natürlich Rassismus: Etwa, wenn Wills Onkel Phil, afroamerikanischer Anwalt, Richter werden will und im Wahlkampf den alten weißen Mann "Whitey" umgarnen muss. Oder wenn Wills bester Freund Jazz im Gerichtssaal die Arme lieber oben lässt mit der Begründung: "Bevor ich mich versehe, habe ich sechs Warnschüsse im Rücken." Und natürlich, wenn Will und Carlton aufgrund ihrer Hautfarbe von der Polizei angehalten und verhaftet werden.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Filmemacher Morgan Cooper (State of America) einen Trailer bei Youtube eingestellt, ein düsteres Dreieinhalb-Minuten-Video, das den Protagonisten nicht als quasselnden Clown zeigt, sondern als geknechtete Seele auf der Suche nach einem Platz im Leben. Sein Unbehagen lässt sich nicht in 30-Minuten-Folgen pressen, das Leben ist nun mal keine Sitcom. So wie Fresh Prince in die bunten Neunziger in L. A. passte, so passt dieses Video ins dunkle Amerika der Gegenwart.

Auf diesem Kurzfilm, den mehr als fünf Millionen Menschen gesehen haben, soll nun die Neuauflage basieren. Will Smith zeigte sich laut Pressemitteilung von Coopers Video begeistert. "Es ging in der Sitcom auch um mein Leben", sagt Will Smith, dessen Firma Westbrook Studios die Serie produzieren wird. "Ich bin nach L. A. gezogen und habe eine Karriere als Rapper begonnen, meine Freunde daheim sind gestorben oder im Gefängnis gelandet. Es ist spannend, diese Geschichte nun aus einer völlig anderen Perspektive zu erzählen."

Mittlerweile zählt Smith als Schauspieler und Musiker zu den größten Stars der Unterhaltungsbranche - und als Produzent zu den mächtigsten Leuten in Hollywood: "Die Themen waren damals auch schon da, man konnte sie nur nicht im Sitcom-Format unterbringen."

Die Neuauflage spielt in der Gegenwart, sie beginnt - wie im Original-Lied angedeutet - beim Basketball in Philly, wo der begabte Sportler Will in eine Schlägerei mit Gangmitgliedern gerät und deshalb zu Onkel und Tante nach Los Angeles geschickt wird. Es soll darum gehen, was es heutzutage bedeutet, ein Afroamerikaner in den USA zu sein - ob nun aus West Philadelphia oder Bel Air.

Smith gilt sowohl vor als auch hinter der Kamera als Erfolgsgarant. In Hollywood ist von einem regelrechten Wettbieten um die Serie zu hören. Verständlich ist das nicht nur, weil Neuauflagen gerade beliebt sind in der Unterhaltungsbranche. Die Fans sind der Serie treu geblieben, Wiederholungen von The Fresh Prince of Bel Air laufen im Kabelfernsehen und beim Pay-TV-Sender HBO, und das Interesse an gesellschaftlich brisanten Themen ist gerade immens. Wer Regie führen wird, und wer die Hauptrollen übernimmt, ob vielleicht sogar die Darsteller von damals mitspielen, ist noch unklar.

Der Sender NBC, auf dem die Originalserie zu sehen war, soll es auf seinem Streamingportal Peacock zeigen wollen, auch HBO, Amazon, Apple und Netflix haben angeblich Interesse. Und vielleicht muss Will Smith den Song "Yo Home to Bel-Air", den er damals mit Quincy Jones und DJ Jazzy Jeff komponiert hat, ein wenig umschreiben. Im Kurzfilm jedenfalls ist aus dem heiteren Bumm-pss, Bumm-bumm-bumm-pss-pss-bumm ein dumpf-düsteres Dom-domdomdom-dom geworden.

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