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Serie "Poldark":Edel, mutig, aber ein bisschen zu sehr Frauenheld

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Der Protagonist der BBC-Serie "Poldark" macht Cornwall zur Touristenattraktion - und bringt die Briten um den Verstand.

Von Cathrin Kahlweit

Ein Mann mit nacktem Oberkörper ist in Zeiten von Youporn keine echte Sensation mehr, auch wenn der Mann gut aussieht und gerade schaumgeboren dem Meer entsteigt. In diesem Fall handelt es sich aber um den irischen Schauspieler Aidan Turner, der, züchtig mit einer fleischfarbenen Hose bekleidet, vor der Küste von Cornwall geschwommen war und nun mit wehendem Langhaar und verhangenem Blick an Land schreitet.

Das Foto von Turner, 34, zierte in der vergangenen Woche praktisch alle britischen Zeitungen, die nicht ausschließlich Politik auf Seite 1 haben, und führte zu einer ganzen Reihe ironischer, aber doch auch versteckt sehnsuchtsvoller Kolumnen von Journalistinnen - und Journalisten, die sich zwar über Turners Brusthaar und die spektakuläre Küste von Cornwall lustig machten, aber zugleich eingestanden, dass sie im Kiosk länger als gewöhnlich die entsprechenden Boulevardblätter in der Hand gehalten hatten.

Totaler Kitsch? Wer das annimmt, kennt die Briten schlecht

Das Geheimnis des Hypes: Poldark ist zurück. Ex-Soldat Ross Poldark, den Turner in der vierten Staffel der gleichnamigen BBC-Serie spielt, ist seit Sonntagabend wieder auf dem Schirm, und Millionen hockten zur besten Sendezeit beglückt vor dem Fernseher. Denn auch die vierte Staffel verspricht, was die vorherigen drei gehalten hatten: tolle Bilder einer Gegend, die sonst das Monopol der Location Scouts von Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen sind, Herz, Schmerz, Drama - und Historie. Poldark, das in Deutschland bisher nur sehr versteckt im Pay-TV-Sender Sony Channel ausgestrahlt wurde, spielt Ende des 18. Jahrhunderts, das Volk darbt, gierige Kapitalisten schicken Weizen und Mais trotzdem ins Ausland. Wahlen sind angesetzt, und Poldark - edel, mutig, aber ein bisschen zu sehr Frauenheld, um makellos zu sein -, sieht die Chance, den ausgemachten Bösewicht, Bankier und Abgeordneten Goerge Warleggan, mit dem er seit seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im Streit liegt, zu entmachten.

Aber wird er selbst für das Amt kandidieren? Oder doch der schöne, aber kranke Poet, der ein Auge auf Poldarks Frau geworfen hat? Und kann Poldark die Rebellen retten, die den Export von Getreide verhindern wollten und dafür an den Galgen sollen? Da die erste Folge von Staffel vier ja bereits gesendet wurde, kann hier ruhig verraten werden: Die Sache mit der Kandidatur zieht sich, und nein, selbst Poldark kann nicht alle retten. Aber er versucht es zumindest. Poldark ist eine Mischung aus Robin Hood in der Fassung mit Russell Crowe und Rob Roy, in dem Liam Neeson den schottischen Unabhängigkeitskrieger gab - nur mit weniger Schlachtengetümmel und mehr tiefen Blicken zwischen Mann und Weib.

Die Zahl der Touristen aus dem Land am Drehort ist seit der ersten Staffel stetig gestiegen

Wer jetzt glaubt, hier handele es sich um puren Kitsch, kennt die Briten nicht. Dazu können sie genau recherchierte, gesellschaftspolitisch relevante Kostümfilme zu gut, wie man bereits an Downton Abbey sehen konnte. Poldark, die bereits zweite BBC-Adaption der Romane von Winston Graham, läuft seit 2015 und ist ein guter Nachfolger für Downton Abbey. Die Serie macht Werbung für eine der schönsten (und ärmsten Regionen) des Landes; die Zahl der heimischen Touristen ist seit der ersten Staffel stetig gestiegen. Die Welt ist klar in gut und böse eingeteilt, und das pastorale England mit seinen Heckenrosen, Schlössern und Auen wird als Gegenmodell zu einer überkomplexen, globalisierten, feindlichen Mächten ausgelieferten Welt gezeichnet. London ist weit, und das Land der "shires", der ländlichen Verwaltungseinheiten, die im modernen Großbritannien als eine Art gesunde, heimelige Konkurrenz zum Chaos der Städte gezeichnet werden, bietet den Menschen noch so etwas wie Orientierung.

Cornwall hat für den Brexit gestimmt, obwohl die Region hohe Subventionen aus Brüssel erhält. Poldark ist daher eine erholsame Erinnerung an die Zeit, als die Briten weder von London noch von Brüssel behelligt wurden.

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SZ vom 12.06.2018
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