Serie "Our Cartoon President":"Ich liebe mich auch"

Our Cartoon President ---  !! max. 2-spaltig !! Bitte ggf Mosaik aus mehreren Bildern bauen

Trump macht neue Facetten der komödiantischen Verabeitung nötig. "Our Cartoon President" ist Teil davon.

(Foto: Showtime Networks)

Wie geht man mit einem US-Präsidenten um, der seine eigene Karikatur ist? Mit einer Zeichentrickserie wie der von Stephen Colbert? Wer das für zu harmlos hält, irrt sich.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es lohnt sich, im Internet noch einmal den Auftritt von Stephen Colbert beim Empfang der White House Correspondents Association im Jahr 2006 anzusehen. Der damalige US-Präsident George W. Bush etwa bietet da ein facettenreiches Mienenspiel, das sich ungefähr so übersetzen lässt: "Ganz genau! Der Mann hat mich und meine Politik verstanden und ... Moment mal, der will mich doch verarschen! Oder etwa nicht?"

Ganz genau, Colbert will Bush verarschen, denn er preist Bush derart hanebüchen, dass irgendwann nicht nur der Präsident und seine Gefolgschaft konsterniert dahocken, sondern sämtliche Gäste im Saal, denen das vorsichtige Lachen immer wieder im Hals stecken bleibt. Sie raunen sich zu: "Das hat er jetzt gerade nicht wirklich gesagt. Oder?"

Beim neuen Twitterer-in-Chief Donald Trump entdeckt man derzeit bei Kritikern wie Anhängern gleichermaßen übrigens ähnliche Gesichtsausdrücke wie damals bei diesem Abendessen: "Das hat Trump jetzt gerade nicht wirklich gesagt. Oder?" Und diese Situation erfordert neue Facetten der komödiantischen Verarbeitung.

Colbert fällt derzeit, bei allem Respekt für die Parodien von Alec Baldwin bei Saturday Night Live und die britische Bissigkeit von John Oliver in Last Week Tonight, die Rolle des Komödianten-in-Chief zu: The Late Show, die er im Herbst 2015 von David Letterman übernommen hat, ist mittlerweile die Spätabend-Talkshow mit den meisten Zuschauern. Vorige Woche wählte Colbert wieder Entlarvung durch völlig übertriebenes Lob, als er Trump aufforderte, sich in der Russland-Affäre von Sonderermittler Robert Mueller befragen zu lassen: "Sie können das! Sie sind ein brillantes, milliardenschweres Genie! Sie sind besser und schlauer als all diese Clowns, die ihre Karrieren mit Ermittlungen verplempern. Ihre Anwälte kapieren das nicht. Sagen Sie aus, seien Sie einfach Sie selbst!"

Colbert zieht seine komödiantische Kraft aus Empathie, er scheint sich tatsächlich um den Zustand des Landes zu sorgen. "Politischer Humor ist ziemlich schwer, wenn einem die Sache nicht ehrlich am Herzen liegt", sagte Colbert kürzlich während einer Werbetour für die Zeichentrickserie Our Cartoon President. "Wer nur auf die Gunst des Publikums aus ist, der macht letztlich nichts anderes als ein Politiker während einer Rede."

Wie aber umgehen mit einem Präsidenten, der beinahe jeden Tag als Karikatur eines Präsidenten daherkommt? Colbert versucht es nun, zusätzlich zu seiner Spätabend-Sendung, mit einer Trickfilmserie. Auf dem US-Bezahlsender Showtime, der wie Colberts Late-Night-Sender CBS zum Konzern CBS Corporation gehört, ist sie voriges Wochenende angelaufen, die zehn Episoden der ersten Staffel sind in Deutschland bei Sky abrufbar.

Auf die Liebeserklärung seines Sohnes sagt Comic-Trump: "Ich liebe mich auch"

Trump wirkt in der Serie weniger wie ein bösartiger Washington-Machiavelli als vielmehr wie ein tollpatschiger Trottel. Er wird dargestellt als beinahe sympathisch ahnungslose Knalltüte, die es selbst nicht fassen kann, dass er nun als Präsident "Titelzeilen mit Wörtern wie Pornostar, Drecksloch und kognitive Fähigkeiten" produziert. Trump liegt im Bett und raunt seiner Frau Melania zu: "Was glotzt du mich an? Es gibt einen Fernseher in diesem Zimmer." Er antwortet auf die Liebeserklärung seines Sohnes Eric: "Ich liebe mich auch."

Auch in der Serie lohnt es sich, auf die Reaktion der Umstehenden zu achten. Trumps Söhne Eric und Donald junior sind moderne Versionen der Comic-Trottel Beavis & Butthead, die Gastgeber von Trumps Lieblingssendung Fox & Friends brave Jubelperser und Moderator Sean Hannity das Putzerfischchen Trumps, das über seine Gäste Eric und Donald junior sagt: "Es ist mir eine Ehre, das zu erleben, was mal Donald Trumps Sperma war: Ich fühle mich ein bisschen betüdelt."

Der Comic-Trump will gegen sinkende Umfragewerte mit einem Krieg vorgehen

Trumps Helferlein Mike Pence, Ben Carson und Jeff Sessions sind in Cartoon President genauso inkompetent und egoistisch wie seine politischen Gegner Chuck Schumer und Nancy Pelosi, die vom Präsidenten nur hören wollen, was Geldgeber zufriedenstellen könnte. Ted Cruz ist der vampireske Bösewicht, Berater Stephen Miller ein Abgesandter des Teufels und Trumps Ehefrau Melania eine Verzweifelte, die doch nichts weiter wollte als das Luxusleben an der Seite eines Milliardärs - und nun plötzlich Präsidentengattin spielen muss: "Ich war traurig, als du mich aus New York hierhergeschleppt hast. Aber deine Geschenke zum Jahrestag erinnern mich stets daran, dass sich unter den Strandkorb-großen Anzügen ein von Käsesoße umspültes Herz verbirgt."

Irgendwann, gegen Ende der ersten Folge fragt man sich, ob sich das alles nicht viel zu nah an der Realität bewegt. Nicht erst seit dem Enthüllungsbuch "Fire and Fury: Inside the Trump White House" von Michael Wolff denken ja viele, dass es im Weißen Haus drunter und drüber geht und Trump sowieso nur im Bett liegt, Burger frisst und Fox & Friends guckt. Die Zeichentrickserie ist eine Karikatur der Karikatur.

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(Foto: Showtime Networks)

Der echte Trump lenkt von Problemen wie der Russland-Affäre mit eigenen Angriffen ab, beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er etwa zu Jahresbeginn: "Der nordkoreanische Anführer Kim Jong Un hat gerade behauptet, dass sich 'auf seinem Tisch stets ein Nuklearknopf befindet'. Kann jemand aus seinem erschöpften und ausgehungerten Regime ihm mitteilen, dass ich auch einen Nuklearknopf habe, aber dass es ein größerer und mächtigerer Knopf ist als seiner - und dass meiner funktioniert." Der Comic-Trump will gegen sinkende Umfragewerte mit einem Krieg vorgehen und versucht dauernd, sich den Koffer mit den Codes für das Einsatzverfahren unter den Nagel zu reißen. Wie groß ist der Unterschied zwischen Realität und Zeichentrickserie?

Man könnte Our Cartoon President als Versuch abtun, aus dieser Präsidentschaft und dem damit verbundenen Anstieg von Colberts Popularität (die Einschaltquoten hatten vor der Wahl deutlich hinter denen des unpolitischeren Konkurrenten Jimmy Fallon gelegen) noch ein bisschen Profit zu schlagen. Genau das werfen Kritiker der Serie nun auch vor. Man kann diese Serie aber auch in einem anderen, größeren Zusammenhang betrachten: Sie ist Teil eines Versuchs, diese wahnwitzige Zeit in der amerikanischen Politik begreifbar zu machen.

Colbert und seine Kollegen fangen plötzlich an, dem echten Trump zu schmeicheln

Colbert erreicht seine Relevanz in The Late Show über Ernsthaftigkeit und Empathie, seine Strategie sind pointierte Überzeichnungen und knallharte Kommentare. Und er schafft es, seine Kollegen zum Mitmachen zu animieren. Nach seiner Aufforderung, der Präsident solle sich von Sonderermittler Mueller befragen lassen, sagte auch John Oliver: "Ich weiß schon, dass ich dauernd Witze mache, Mr. President. Aber ich glaube tatsächlich, dass Sie das gar wunderbar absolvieren würden. Ich denke, Sie sollten das tun." Jimmy Kimmel ergänzte später: "Vergessen Sie die Anwälte, Präsident Trump. Sie haben nichts Falsches getan - und falls doch, dann sind Sie zu schlau, um erwischt zu werden."

Es ist Entlarven durch völlig übertriebenes Lob - und es würde einen nicht verwundern, wenn sich das Mienenspiel des echten Trump beim Betrachten von Our Cartoon President so übersetzen ließe: "Ganz genau! Der Mann hat mich und meine Politik verstanden und ... Moment mal, der will mich doch verarschen! Oder etwa nicht?"

Our Cartoon President, von Freitag an zum Abruf bei Sky.

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