Süddeutsche Zeitung

Serie "Narcos":Post aus dem Hause Escobar

Fanpost sieht anders aus: Mit der Serie "Narcos" hat Netflix das Leben Pablo Escobars verfilmt. Nun bekommt der Streamingdienst einen Brief von dessen Bruder - und ein schwer abzulehnendes Angebot.

Von David Denk

Es gibt Absender, von denen möchte man nur ungern angeschrieben werden, und die Escobar Inc. gehört definitiv dazu. Wie das US-Entertainmentportal TMZ berichtet und dokumentiert, hat Roberto Escobar, der Bruder des verstorbenen Drogenbosses Pablo Escobar, am 1. Juli einen Brief an den Streamingdienst Netflix geschickt - und es war keine Fanpost. Vielmehr eine "freundliche Aufforderung zur Kooperation". Der Brief entspricht dem seit Der Pate berühmt-berüchtigten Angebot, das man nicht ablehnen kann, war also unschwer als relativ offene Drohung zu verstehen.

Der Brief an Netflix nahm Bezug auf die Serie Narcos, die den Aufstieg Pablo Escobars zum mächtigen Drogenboss nachzeichnet und vergangenen Sommer bei dem Streaminganbieter gestartet ist. Roberto Escobar hat Narcos offenbar gesehen und konnte nicht viel damit anfangen: Alles Lüge, schreibt er an Netflix und verlangt als Nachlassverwalter seines Bruder für die zweite Staffel eine inhaltliche Freigabe sowie eine Gewinnbeteiligung. Auch in diesem Feld erweist sich die Familie Escobar als äußerst geschäftstüchtig.

Netflix kann kaum gewinnen

Für Netflix war Narcos ein Erfolg, sind Biopics in Fernsehen und Kino doch ein überaus beliebtes Genre, doch die realen Vorbilder sind mit der Fiktionalisierung ihrer Lebensgeschichte nur selten zufrieden. Vor ein paar Jahren etwa wehrten sich die Nachfahren Erwin Rommels öffentlichkeitswirksam gegen einen ARD-Film, der die Lebensgeschichte des berühmten Generalfeldmarschalls erzählen sollte. Sind die Nachfahren hingegen einverstanden, kann es den Machern eigentlich auch nicht recht sein, weil sie womöglich ein allzu schmeichelhaftes Bild gezeichnet haben.

Netflix jedenfalls kann in dieser Situation kaum gewinnen, auch wenn Roberto Escobar in seinem Schreiben keine konkreten Konsequenzen androhte, falls man sich gegen eine Kooperation entscheidet. Ein Einlenken würde die Serie beschädigen. Erschwerend hinzu kommt der Faktor Zeit: Die zweite Staffel soll schon am 2. September weltweit starten, ist also abgedreht und auch in der Postproduktion weit fortgeschritten. Nachträgliche Eingriffe wären über den Imageschaden hinaus mit erheblichen Kosten verbunden.

Eine Reaktion auf den Brief stand bis Donnerstagnachmittag noch aus; viel spricht dafür, dass man am Netflix-Sitz in Los Gatos darüber grübelt, wie man ein Angebot ablehnt, das man eigentlich nicht ablehnen kann.

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Quelle:
SZ vom 08.07.2016/luc
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