"Lovecraft Country" bei Sky:Wer ist hier das Monster?

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"Lovecraft Country" ist beängstigend unterhaltsam und unglaublich zeitgemäß. (Foto: Foto: © 2020 Home Box Office, I/obs)

Die großartig vielschichtige Serie "Lovecraft Country" zeigt den Horror des Rassismus in den USA.

Von Kathleen Hildebrand

Wenn schleimige graue Monster mit Tentakeln und sehr vielen, sehr spitzen Zähnen nicht die größte Gefahr sind, steht es schlimm um die Helden. In der Serie Lovecraft Country sind diese grausigen Kreaturen zwar real - aber eben vor allem eine besonders erschreckende Allegorie auf all die Bedrohungen, denen schwarze Menschen in den USA ausgesetzt waren. Und es zum Teil noch immer sind.

Der junge Atticus Freeman (Jonathan Majors) kommt gerade aus dem Koreakrieg zurück, als er erfährt, dass sein Vater verschwunden ist - genau in jener Gegend von Massachusetts, in der einige der Gruselgeschichten des Schriftstellers H. P. Lovecraft spielen. Allerdings ruft der Vater seinen Sohn mit einem Brief zu sich, Atticus soll das Geburtsrecht antreten, das ihm als Erbe seiner Mutter zuteil geworden ist. Zusammen mit seinem Onkel George und der aufmüpfigen Leti (Jurnee Smollett) macht er sich also auf den Weg, wissend, dass die Reise gefährlich werden könnte.

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Nicht, weil er ahnt, dass sie Monstern begegnen werden, sondern weil es die Fünfzigerjahre sind - und die Reisenden schwarz.

Wie allgegenwärtig die Bedrohung für sie ist, wie der Rassismus die US-amerikanische Kultur in allen ihren Schichten durchdringt, das hat man so konsequent und eindrücklich wie in dieser Serie kaum je gezeigt bekommen. Jede Szene dieser Heldenreise ist mindestens doppelbödig. Gleich zu Beginn fährt Atticus im Bus etwa über eine Brücke, die, wie seine weise schwarze alte Sitznachbarin bemerkt, den Namen eines konföderierten Generals trägt. Auch die Schundromane über Aliens und Monster, die er so gerne liest, sind, und das ist Atticus sehr bewusst, von rassistischen Weißen geschrieben - wie auch H.P. Lovecraft einer war. Nichts ist nicht kontaminiert von der Unterdrückung, nicht einmal die Popkultur, die Atticus zur Flucht nutzt.

Die Serie ist nicht nur Gesellschaftskommentar, sondern auch eine große, irre Feier des Horror-Genres

Nach gleich zwei Verfolgungsjagden, erst gehetzt von einem rassistischen Cop und dann von den spitzzähnigen Schleimgesellen, kommen die Helden schließlich in Massachusetts an. Dort werden sie freundlich von einer - weißen - magiebegabten Geheimgesellschaft aufgenommen. Sie dürfen duschen und durchatmen, feine Kleidung liegt für sie bereit, sie werden bedient. Das muss wohl an diesem Geburtsrecht liegen, von dem Atticus' Vater geschrieben hat. Wie befriedigend die Vorstellung von einem Erbe ist, das man nur anzutreten braucht, sieht man an der erleichterten Freude, mit der Atticus' Onkel George vor einem raumhohen, antiken Bleiglasfenster jubelt. Es ist der Jubel einer Minderheit, die nie etwas besessen hat und der man auch das wenige, das sie sich erarbeiten kann, am liebsten wieder wegnehmen würde.

Klar, die Geheimgesellschaft entpuppt sich bald als ebenso furchterregend wie der Cop und die Monster. Atticus' Rolle als Erbe verdankt sich der Vergewaltigung einer Sklavin. Und Lovecraft Country ist nicht nur Gesellschaftskommentar, es ist auch eine große, irre Feier des Horror-Genres. Es wundert also nicht, dass Jordan Peele, der mit dem klugen Horrorsatirefilm Get Out bekannt geworden ist, die Serie mitproduziert hat. Bei aller Vielschichtigkeit der Bezüge zu Legenden und Größen des schwarzen Amerika - den Soundtrack bilden eine Rede von James Baldwin und das Gedicht "Whitey on the Moon" von Gil Scott-Heron, aber auch ein Song der sehr aktuellen Rapperin Cardi B - ist Lovecraft Country auch und vor allem das: beängstigend unterhaltsam und unglaublich zeitgemäß.

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