Süddeutsche Zeitung

Serie "Godfather of Harlem":Mit Wumms

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Forest Whitaker spielt in einer Serie den Paten von Harlem. Etwas weniger Seifenoper und etwas mehr Wahrhaftigkeit hätten dem Stoff gut getan.

Von Patrick Heidmann

Gleich in der ersten Szene wird Ellsworth 'Bumpy' Johnson 1963 nach jahrelanger Haft aus dem Gefängnis von Alcatraz entlassen. Doch daran, dass seine Rückkehr nun die Geschichte einer Läuterung wird, glaubt nicht einmal seine Frau. Auch als Zuschauer kann man das wissen, schließlich hat es den in der Serie Go dfather of Harlem von Oscar-Gewinner Forest Whitaker gespielten Bumpy Johnson tatsächlich gegeben: in den Fünfzigern und Sechzigern kontrollierte er mit seinen Handlangern weite Teile des Drogenhandels im New Yorker Stadtteil.

Historische Genauigkeit ist nun allerdings nicht das erklärte Ziel der von Chris Brancato ( Narcos) verantworteten Serie: Sie sei bloß inspiriert von realen Personen und Ereignissen, betont eine Einblendung zu Beginn der acht Episoden, ansonsten waltet hier die Fiktion, und das nicht zu knapp: Die Rivalen von der Mafia haben ihm ganze Straßenzüge abspenstig gemacht, überall lauern korrupte Polizisten, und zu einem engen Wegbegleiter mit ordentlich Konfliktpotenzial wird niemand anderes als Malcolm X (Nigel Thatch). Und Pastor Adam Clayton Powell jr. (Giancarlo Esposito), erster afroamerikanischer Kongressabgeordneter, der wie alle anderen auch bei seinen Projekten an Johnson nicht vorbeikommt, hat gern mal Präsident Kennedy persönlich an der Strippe.

Dass die Ambitionen in Godfather of Harlem über bloßen Geschichtsunterricht hinausgehen, unterstreicht auch die Musik, die in der Serie eine entscheidende und mitreißende Rolle spielt. Neben Jazz und Soul von damals wummern immer wieder eigens komponierte Hip-Hop-Stücke von Star-Produzent Swizz Beatz über dem Vorspann und etlichen Szenen. "Dass wir auch moderne Musik einsetzen, war meine Idee", sagt Hauptdarsteller und Produzent Whitaker der SZ. "Mir erschien es wichtig, einen frischen Blick auf die Geschichte zu haben. Denn es geht darin um Themen, die uns bis heute beschäftigen, von einer Polarisierung der Gesellschaft, Rassismus und Polizeigewalt bis hin zur grassierenden Drogenepidemie oder 'Me Too'."

Warum Brancato und seine Mitautoren es angesichts dieser Fülle an Themen für nötig hielten, die Serie auch noch mit jeder Menge seifenoperntauglichem Drama aus dem Privatleben Johnsons und seiner Widersacher anzureichern, bleibt ein Rätsel. Statt von sich prostituierenden Junkie-Töchtern oder einer tragischen jungen Liebe zwischen einer Mafia-Tochter und einem Musiker zu erzählen, hätte sich Godfather of Harlem besser auf seinen Protagonisten und die spannende Schnittstelle zwischen organisiertem Verbrechen und Bürgerrechtsbewegung konzentriert. Schon allein, um noch mehr vom gewohnt großartigen Whitaker zu zeigen. So aber verliert sich die Serie etwas zu oft in Unglaubwürdigkeiten und mangelnder Subtilität, die zwar der Unterhaltsamkeit keinen Abbruch tun, aber auf Kosten einer Wahrhaftigkeit gehen, die dem Stoff angemessen wäre.

Godfather of Harlem, läuft auf Magenta TV.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2019
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