"Curb Your Enthousiasm":Die Ehrenrettung des wütenden, weißen Mannes

"Curb Your Enthousiasm": Larry David spielt sich wieder selbst - und einen inzwischen in Verruf geratenen Typus.

Larry David spielt sich wieder selbst - und einen inzwischen in Verruf geratenen Typus.

(Foto: HBO)

Spätestens seit Donald Trump ist er angeblich die Wurzel allen Übels. Dabei kann der weiße Mann extrem erhellend sein, wie Larry David in der neunten Staffel von "Curb Your Enthusiasm" zeigt.

Von Luise Checchin

Komplexe Frage: Sollte man einer lesbischen Frau eigentlich die Tür aufhalten? Der Comedian Larry David stellt sie in der neuen, mittlerweile neunten Staffel von Curb Your Enthusiasm, die diese Woche in den USA und Großbritannien angelaufen ist. Und natürlich stellt er sie nicht nur, er verneint sie auch. In der allerersten Minute der ersten Folge. Die darauf folgende halbe Stunde verbringt dieser drahtige, glatzköpfige Typ dann noch damit, seine kranke Assistentin zu feuern, Witze über Afghanistan-Veteranen zu reißen und eine geopolitische Krise mit Iran auszulösen. Zu der Krise später mehr.

Larry David steht in Curb Your Enthusiasm also für einen Typus, der in letzter Zeit in Verruf gekommen ist: den weißen, wütenden, politisch unkorrekten Mann. Und es drängen sich entsprechend gleich mehrere Dinge auf, die er mit dem weißen, wütenden, politisch unkorrekten Mann gemein hat, der derzeit im Weißen Haus sitzt - neben dem gestörten Verhältnis zum Iran unter anderem der Fokus auf den eigenen Vorteil und das völlige Desintersse an sozialen Konventionen.

Warum nur, ist die Wut des einen so erhellend, während die Wut des anderen so verängstigt?

Curb Your Enthusiasm erzählt vom Leben des Comedian und Seinfeld-Miterfinders Larry David (gespielt vom Comedian und Seinfeld-Miterfinder Larry David). Ein vordergründig ereignisloses Leben: Der fiktive David hängt in Los Angeles rum, spielt Golf und trifft sich mit seinen Freunden (darunter etwa die Schauspieler Julia Louis-Dreyfus, Richard Lewis oder Ted Danson, die alle als sie selbst auftreten). Dazu besitzt der Serien-David allerdings ein raumgreifendes Talent, die Welt mit Tabubrüchen - vermeintlichen und echten - gegen sich aufzubringen. Die Figur, hat Larry David einmal gesagt, sei eine Version seiner selbst - wenn man soziales Bewusstsein und Einfühlungsvermögen abziehen würde.

Serien sind so relevant, wie die Fragen, die sie mitbringen

Das ist amüsant, bringt aber auch eine weitere Frage mit sich: Braucht es wirklich eine fiktive Serie, in der ein alter weißer Mann Homosexuelle oder Menschen mit Behinderung anschreit? Wo man dafür mittlerweile doch einfach die Nachrichten einschalten kann.

Nun hat die Diskreditierung des wütenden, politisch unkorrekten Mannes auf der politischen Ebene natürlich sehr gute Gründe. Sie ist, wenn man sie auf die Welt der Kunst überträgt, aber ziemlich schade. Denn der Typus des misanthropischen, sich ereifernden Grantlers (oder natürlich der Grantlerin, in die Geschichte sind bisher aber leider nun mal mehr männliche als weibliche Beispiele eingegangen), ist schließlich ein Quell an Erkenntnisgewinn. Wer sich aufregt, der stellt die Verhältnisse in Frage - und das ist die Idealvoraussetzung, um mehr über sie zu erfahren.

Ob eine Serie relevant ist, erkennt man nicht zuletzt daran, welche Fragen mit ihr plötzlich in der Welt stehen.

Was zurück zur lesbischen Frau und der Tür führt. Denn die Art, mit der David mit Normen in Konflikt gerät, hat nie mit Vorurteilen zu tun, sondern mit einer - oft erhellenden, zumeist auf sehr komische Weise verirrten - persönlichen Logik. Der fiktive Larry David nimmt die Dinge nämlich sehr buchstäblich, was auch heißt: Ergibt eine soziale Interaktion für ihn keinen Sinn, hinterfragt er sie so lange, bis sie eskaliert.

Und die Komik, die daraus entsteht, funktioniert besonders gut in den gesellschaftlichen Graubereichen, in denen soziale Normen veraltet oder noch nicht definiert sind. Die meisten Menschen würden sich in solchen Situationen ja einfach zurückhalten. Larry David tut das Gegenteil. Im Fall der lesbischen Frau, der er nicht die Tür aufhält, basiert die Davidsche Logik auf der Annahme, dass eine Frau mit Kurzhaarfrisur und Krawatte es womöglich als Beleidigung auffassen könnte, wenn ein Mann ihr gegenüber den Gentleman gibt.

Larry David verliert ständig

Er liegt falsch damit und er büßt dafür - wie für alle anderen Fauxpas, die er begeht. Am Ende der Auftaktfolge der neuen Staffel spricht das religiöse Oberhaupt Irans, Ayatollah Khomeini, eine Fatwa gegen Larry David höchstpersönlich aus. Grund dafür ist Davids neuestes Werk, "Fatwa! Das Muscial!", in dem die Geschichte des Schriftstellers Salman Rushdie erzählt und der Ayatollah wenig schmeichelhaft als schlechter Autofahrer mit einer Vorliebe für rothaarige Frauen dargestellt wird. Was verblasst gegenüber der Tatsache, dass zwei sehr aufgebrachte, rachsüchtige Frauen hinter David her sind.

Und hier liegt schließlich der große Unterschied zwischen dem Typus Trump und dem Typus Larry David - zwischen den beiden Formen des weißen Wutmannes: Larry David verliert ständig. Ihm steht eine Gesellschaft entgegen, die seine egozentrischen, unverschämten Eskapaden nicht akzeptiert.

Deswegen hat es etwas merkwürdig Beruhigendes Curb Your Enthusiasm im Jahr 2017 zu schauen. Die Serie beschwört eine Welt herauf, in der wütende, weiße Männer für ihre Tabubrüche nicht im Weißen Haus landen, sondern unter der Dusche vermöbelt werden.

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