Serie "Warten auf'n Bus":Von Mensch zu Mensch loslabern

Warten aufn Bus Ronald Zehrfeld

"Find ick jut, beruhigt ma irgendwie. Is wie alte Filme kieken."

(Foto: Frédéric Batier/rbb)

In einem Komödien-Kleinod vom RBB sitzen Ronald Zehrfeld und Felix Kramer in einer Bushaltestelle in Brandenburg - als zwei Ostdeutsche, wie man sie in den Medien selten sieht.

Von Holger Gertz

Diese Serie passt natürlich schon mal allerbestens in die Zeit. Wenn alle von allen isoliert werden und sich nur noch im Computerbildschirm sehen, ist das direkte Gespräch von Mensch zu Mensch eine ungewohnt gewordene Sensation. Warten auf'n Bus heißt die Sitcom vom RBB, und während man den beiden Helden dabei zusieht und zuhört, wie sie sich im Wartehäuschen einer Brandenburger Bushaltestelle unterhalten, steigert sich die Ungeduld, das auch mal selbst wieder zu tun, also von Mensch zu Mensch loslabern mit jemandem, der das genauso will und nötig hat.

Da sind all die großen Alltagsphilosophen des Fernsehens, der Tatortreiniger mit seinen Leuten, Christian und Fahri aus Jerks, vor allem aber sind Dittsche und Ingo der Maßstab, sein Freund jenseits der Imbisstheke. Verglichen mit denen sind Hannes und Ralle natürlich noch Novizen, aber Hannes und Ralle sind sehr gut, zwei im Brandenburger Hinterland Gestrandete, die da an der Haltestelle sitzen mit dem Dosenbier und einem Hund, der auch sehr gut ist und Maik heißt. Ralle wird gespielt von Felix Kramer und Hannes von Ronald Zehrfeld, zwei Glücksfälle natürlich, sie müssten gar nicht miteinander reden, sondern könnten auch mit Blicken ein Kammerspiel aufführen. Kramers Augen funkeln, da ist immer auch Verletztheit und Minderwertigkeit im Blick, während Zehrfelds Augen leise lächeln. Das allein ist das Einschalten wert: Diesen gewaltigen Mann Zehrfeld zu sehen mit seinen runtergewohnten Klamotten und dem ranzigen Bart, und dazu diese Wärme im Blick, unfassbar.

Das Warten an der Bushaltestelle wird nicht vergeblich sein, die beiden kriegen immer wieder Besuch, vor allem die blonde Busfahrerin Kathrin (Jördis Triebel) wird ja kommen, um an der Endhaltestelle eine Zigarette zu rauchen, und ihre Ankunft wird in den allerhellsten Farben ausgemalt von Hannes und vor allem Ralle, die - wie Dittsche und sein Ingomann ja auch - Romantiker geblieben sind, und durchgehend im Gespräch.

Hannes: "Donnerwetter"

Ralle: "Wer sacht'n noch Donnerwetter?"

Hannes: "Na icke!"

Ralle: "Sagst du auch Ei der Daus oder Schockschwerenot oder sowat?"

Hannes: "Find ick jut, beruhigt ma irgendwie. Is wie alte Filme kieken."

Ralle denkt darüber nach, eine eigene Webseite anzulegen, und da suchen sie dann im Smartphone nach ein paar schönen Bildern, und irgendwann fällt Hannes auf, was die Fotos verbindet, da könnte man doch was draus machen. "Is dir schon mal uffjefallen, dass auf jedem Foto Bier druff is? Ralle mit'm Bier in der Hand. Ralle mit Bier im Boot. Ralle mit Bier im Kopp. Ralle vorm Bier, Ralle nach'm Bier. Ralle mit Leerjut." Hannes ist hilfreich, was die Gestaltung der Webseite angeht, Hannes kennt auch so ungefähr die Sinnsprüche aus den besseren Abrisskalendern. "Jeder sucht sein Unglück, und man soll ihn dabei nicht stören" (Aristoteles). "Nur Freunden gibt man ein Küsschen" (Ferrero).

Die acht Folgen von Regisseur Dirk Kummer sind traumwandlerisch sicher erzählt, die Dialoge sind mehrheitlich Perlen. Sagt Busfahrerin Kathrin: "Herrchen und Hundchen oder Paare - sind sie nur lange genug zusammen, sieht der eine aus wie der andere heißt." Und Ralle und Hannes (der eine dauerarbeitslos, der andere Frühinvalide) sind keine Wendegewinner, sie sind aber - die reine Wohltat - auch nicht hart geworden und nur gelegentlich zynisch. "Insofern sind sie mal nicht der Ossi, wie er gerade durch die Medien tobt" sagt Drehbuchautor Oliver Bukowski. Sie haben ja noch sich, und so sind sie keine erledigten Fälle, sondern noch immer neugierig auf das, was kommt. Trotz allem.

Wer also langsam genug hat von den ätzenden Debatten der ewigen Besserwisser im Netz, wer die bräsige Wichtigtuerei der Diskutanten da nicht mehr ertragen kann - der betrachte diese bemerkenswerte kleine Serie vom RBB. Man lernt ganz neu, was das bedeutet: sich zu unterhalten.

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