Die faszinierendste dieser fiktiven Figuren ist Leonardo Notte, einst ein radikaler Linker, nun ein illusionsloser Werbemanager. Notte erspürt als einer der Ersten die neue Zeit, in der Parteien und Politiker nicht mehr für ihre Überzeugungen bei den Wählern werben, sondern sich wie Waschmittel mithilfe der Marktforschung dem Wähler anpreisen. Notte sieht in Politikern ein Produkt, das sich durch gerissene Werbung auf dem Markt durchsetzen lässt. Und er erkennt, wer sich dafür am besten eignet: der damalige Unternehmer und spätere Premier Silvio Berlusconi.
Einen Reiz der Serie macht die Mischung aus Dichtung und historischer Wahrheit aus. Neben fiktiven Figuren à la Notte treten in 1992 reale Gestalten wie Di Pietro und Chiesa auf, die von Schauspielern gemimt werden. Andere, Berlusconi, Craxi oder Lega-Chef Umberto Bossi zum Beispiel, werden aus alten Filmdokumenten leibhaftig hineingeschnitten.
Zahlreiche Sexszenen sollen den schweren Stoff würzen
So verschafften sich die Serienmacher größtmögliche Freiheiten - aber auch Ärger. Der echte Mario Chiesa versuchte, die Ausstrahlung der Serie in Italien gerichtlich zu verhindern, mit dem Argument, die Kloschüssel-Szene habe in Wahrheit nie stattgefunden. Allerdings wird diese Szene in Fachbüchern und Dokumenten beschrieben. Zudem beruft sich Sky bei der gesamten Serie auf die künstlerische Freiheit.
Die vielen, teils nur lose miteinander verbundenen Figuren und Schauplätze in 1992 fügen sich zu einem Puzzle jenes Jahres, das für nichtitalienische Zuschauer ganz schön verwirrend sein kann. Die historischen Fakten werden oft eher vorausgesetzt als erklärt. Die vielen Handlungsstränge machen die Serie allzu komplex. Etwas weniger wäre da mehr gewesen, das gilt auch für die zahlreichen Sexszenen, die den schweren Stoff würzen sollen.
Gut gelingt es den Produzenten allerdings, die Mechanismen von Macht, Verführung und Korruption in Italien aufzudecken, die bis heute fortwirken. Wütende Bürger, zynische Politiker, skrupellose Unternehmer und gerissene Marketing-Strategen gab es 1992, und es gibt sie heute.
Hoffnungen des Jahres 1992 auf ein sauberes Italien wurden enttäuscht
Die Serie - die mit den Jahren 1993 und 1994 fortgesetzt werden soll - enthält sich dabei politischer Beurteilungen, sie nimmt keinen linken oder rechten Standpunkt ein. Berlusconi etwa, der später als Politiker so enttäuschen sollte, wird aus der Stimmung jener Umbruchzeit heraus gezeigt, als neuer Mann, der sich mit Optimismus und Unternehmergeist von den Altpolitikern abhebt und so viele Menschen für sich einnimmt.
Der Schauspieler Stefano Accorsi, der die Idee zu der Serie hatte und darin den Leonardo Notte verkörpert, räumt ein, dass die Hoffnungen des Jahres 1992 auf ein sauberes Italien enttäuscht wurden. Auch heute wird das Land wieder von enormen Korruptionsskandalen erschüttert. Gerade musste deswegen der Infrastrukturminister zurücktreten. Doch Accorsi meint: "Es ist wichtig, weiter an eine bessere Zukunft zu glauben."
1992, von Dienstag an auf Abruf bei Sky.