Sendung mit Kerner:Farbe drauf, Jacke zu

Lesezeit: 2 min

Eierlikör-Moment: Kerner mit Marie-Luise Marjan. Foto:ZDF (Foto: Sascha Baumann/ZDF)

Krankheiten-Raten und das Beste von gestern: Das ZDF zeigt in einer Show zum 50. Jahrestag des deutschen Farbfernsehens erstaunlich wenig Liebe zum behandelten Medium.

Von Hans Hoff

"Wir lieben Fernsehen", sagen sie beim ZDF und setzen noch ein dickes Ausrufezeichen dahinter. Es mag vieles sein, was ihr Verhältnis prägt zu jenem Medium, aber Liebe ist mit Sicherheit nicht dabei.

Wie kann man auch vorgeben, ein Medium zu lieben, und dann Grabbeltischpropagandisten wie Johannes B. Kerner und Steven Gätjen mit den Feierlichkeiten zu "50 Jahre Farbfernsehen" betrauen und sie lieblos aneinander geschnittene Clips abspielen zu lassen?

Ein Moderator muss beim ZDF ganz offenbar vor allem eine Kernkompetenz nachweisen, und zwar die, ordentlich sein Jackett zuzuknöpfen, wenn er aufsteht und einen Gast begrüßt. Kerner und Gätjen tun das im Verlauf der anderthalb Stunden alle paar Minuten, weil ja insgesamt mehr als ein Dutzend Gäste aus dem Serienkosmos der deutschen Sender zu begrüßen ist. Die beiden machen das richtig gut. Also das mit dem Jackettzuknöpfen. Den ganzen Rest leiern sie indes mehr oder minder hilflos herunter. Es geht ja auch um nichts, nur um 50 Jahre Farbfernsehen.

Vier Shows widmet das ZDF dem Medium, das kommende Woche Jubiläum feiert und die Existenz der Mainzer Anstalt begründete, und wenn man die erste Sendung als Maßstab nimmt, dann ist von großer Wertschätzung wenig zu spüren. Wäre das deutsche Fernsehen wirklich so, wie es da präsentiert wird, müsste man es umgehend zusperren wegen nachgewiesener Belanglosigkeit.

Gott sei Dank ist es nicht so, wie es Kerner und Gätjen präsentieren. Fernsehen ist mehr als diese Aneinanderreihung von Archivclips, tausendfach schon zitierten Anekdoten und lustlos dahin geschluderten Plauschereien mit grundlos erregt tuenden Gästen, die mehrheitlich wirken, als seien sie übrig geblieben, nachdem alle interessanten Kandidaten schon abgesagt haben. Fernsehen kann auch hierzulande emotional, witzig oder sogar geistreich sein. Im ZDF aber wird allen Ernstes die Baywatch-Darstellerin Pamela Anderson als großer Star gepriesen, als habe sie nicht längst in irgendwelchen Promicontainern und auf Opernbällen ihre Restwürde verscherbelt. Doch wenn man meint, dass es peinlicher nicht geht, rauscht Marie-Luise Marjan herein, die ewige Mutter Beimer aus der Lindenstraße, und himmelt die Amerikanerin mit der nur ihr eigenen ungelenken Hemdsärmeligkeit an. "You have a wonderful figure", lobt die Matrone vom deutschen Seriendienst quasi trumpisch, und man weiß in dem Moment vor lauter Peinlichkeit nicht mehr, wo man hinschauen soll.

Zwischendrin kündigen die Chauffeure dieser televisionären Kaffeefahrt noch Spielchen (Serienmusik- und Krankheiten-Raten) an, für die wirklich sehr viel Eierlikör nötig wären, wollte man sie lustig finden. Das deutsche Fernsehen hat Besseres verdient.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: