Österreichischer Fernsehsender:Sag zu Servus TV leise servus

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Werben mit der Heimat: "Die Welt, in der Du daheim bist". (Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Mitarbeiter berichten von Wutausbrüchen des Sender-Gründers und Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz. Er habe überall mitreden wollen.
  • Die wirtschaftliche Lage sei so "untragbar", dass keine positive Entwicklung zu erwarten sei, heißt es von offizieller Seite zur Schließung von Servus TV.
  • Unter Insidern kursiert Ende Juli als Stichtag für die Abschaltung, etwa 250 Mitarbeiter müssen gehen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Dietrich Mateschitz war nie ein einfacher Chef. Seit er 2009 den kleinen Lokalsender Salzburg TV in ein Projekt mit großem Anspruch umwandelte, wurden immer wieder Geschichten über Wutausbrüche und direkte Interventionen erzählt. Servus TV - das Baby, das der Red-Bull-Erfinder und Multimilliardär damals aus der Taufe hob, um mit vielen Dokumentationen und noch mehr Sport, mit Politik und Stars den Öffentlich-Rechtlichen etwas entgegenzusetzen - war ein ambitioniertes Projekt.

Und er war nicht leicht zufriedenzustellen. Der Selfmademan redete, zumindest anfänglich, überall mit, hieß es aus der Redaktion: bei der Abnahme von Eigenproduktionen, bei der Erfindung neuer Formate, um sie lautstark zu verwerfen oder ebenso lautstark gutzuheißen.

Kürzlich, berichten Mitarbeiter, soll Mateschitz wieder einen seiner gefürchteten Wutanfälle gehabt haben. Eine E-Mail habe kursiert, in der die Gründung eines Betriebsrat vorgeschlagen wurde, heißt es, und Mateschitz soll diese Idee, die nie ein konkreter Plan wurde, überhaupt nicht gefallen haben. Aber das ist nur gerüchteweise der Grund für seinen jüngsten Ausbruch; der Mann lässt sich nicht gern in die Karten schauen.

Jährlich fast ein dreistelliger Millionenbetrag - umsonst

Gewiss ist so viel: Am Dienstagmorgen wurde, Knall auf Fall, bekannt gegeben: Der Sender werde zugemacht. Servus, Servus TV. Offiziell liegt das nicht an der Idee einer Mitarbeitervertretung, sondern es sind die Zahlen. Die wirtschaftliche Lage sei so "untragbar", dass keine positive Entwicklung zu erwarten sei. Man habe in Servus TV jährlich einen fast dreistelligen Millionenbetrag investiert. Umsonst. Der "Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmanns" entspreche es, den Sendebetrieb einzustellen.

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Das wird wohl nicht sofort geschehen, aber unter Insidern kursiert Ende Juli als Stichtag für die Abschaltung. Etwa 250 Mitarbeiter müssen gehen. Schock und Verzweiflung im Sendezentrum in Wals könnten nicht größer sein. Der Kurier berichtet, Senderchef Ferdinand Wegscheider sei mit zitternder Stimme vor seine Leute getreten und habe verkündet, dass alle bereits beim Arbeitsmarktservice (Österreichs Pendant zum Arbeitsamt) gemeldet seien.

Nicht nur jene Mitarbeiter, die aus der Region kommen, seien entsprechend fassungslos gewesen, sondern auch die vielen hochkarätigen Fernsehjournalisten und Techniker, die Servus zur Übersiedelung ins Salzburger Land bewegt hatte - immer mit dem Versprechen, dass man trotz roter Zahlen einen langen Atem haben werde. Und dass Mateschitz gewillt sei, den Sender trotz aller Anlaufschwierigkeiten langfristig weiter zu finanzieren.

Aber ganz so sonnig waren Lage und Stimmung zuletzt offenbar ohnehin nicht mehr gewesen. Erst vor drei Wochen hatte Geschäftsführer Martin Blank, der Servus TV noch vor Jahresfrist mit mehr Serien und Zukäufen massenkompatibler machen wollte, gehen müssen. Wegscheider war zum Alleinverantwortlichen aufgestiegen.

Gleichzeitig war bekannt geworden, dass der wegen eines Finanzskandals vom Wiener Burgtheater nach Salzburg gewechselte Ex-Intendant Matthias Hartmann sich in Zukunft nicht mehr um den Sender, sondern im Red-Bull-Medienhaus um Programmentwicklung kümmern solle. Schon das sah damals aus wie eine Weglobung, nur der Grund war unklar. Gut möglich also, dass das Aus nicht so überraschend kam, wie es jetzt den Anschein hat, sondern länger geplant war.

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Mit Servus TV geht nun ein Projekt unter, das durchaus ambitioniert und gut gemacht, wenngleich unter Quoten-Gesichtspunkten nicht erfolgreich und zu wenig beachtet gewesen war. Bei der Gründung hatte man eine eigene Marke erfinden wollen: Servus TV, hatte es geheißen, solle ein "Sender für den Servus-Raum" sein - also für jenen deutschsprachigen Bereich, in dem man "Servus" sage: Österreich, Bayern und Baden-Württemberg, Südtirol, Teile der Schweiz.

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Eine Art moderner Heimatsender, der für das Traditionelle, für alte Werte, für Entschleunigung, für Stabilität, für Ursprünglichkeit stehen sollte. Plakate, auf denen Servus TV derzeit für das eigene Programm mit den Wurzeln wirbt, die Heimat ausmachen, wirken nach diesem Dienstag mehr als anachronistisch.

In Wals selbst fragt man sich derzeit, ob der Knalleffekt im Red Bull Media House sich auf die Schließung von Servus TV allein beschränken wird. Das Printmagazin Servus in Stadt & Land jedenfalls, das in Deutschland mit einer eigenen Ausgabe erscheint, soll erhalten bleiben. Im Nachbarort wird gerade eine Kaserne als Firmen- und Medienzentrale des Konzerns umgebaut. Um Mateschitz selbst muss man sich einstweilen wohl nicht sorgen, laut Forbes ist er mit zwölf Milliarden Dollar der reichste Mann in Österreich.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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