Science Fiction:Zurück in die Zukunft

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Neustart im All: Die kluge Judy (Taylor Russell) muss nicht nur auf einem fremden Planeten eine neue Heimat aufbauen - sie muss auch mit ihrer Familie klarkommen.

(Foto: Netflix)

Das Netflix-Remake der Fernsehserie "Lost in Space" träumt vom Neuanfang für die ganze Familie auf einem unbekannten Planeten.

Von Nicolas Freund

Lew Tolstoi schrieb zwar keine Science-Fiction und war auch nicht im Weltraum, aber der Anfang seines Romans "Anna Karenina" gilt trotzdem auch auf fernen Planeten: "Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche ist auf ihre Art unglücklich." Das Unglück der Familie Robinson ist tatsächlich ein sehr spezielles, denn sie ist im Weltraum verloren gegangen. Eigentlich wollten sie da auch hin, aber eine Katastrophe hat sie in einer unbekannten Welt stranden lassen. Weil das noch nicht reicht, sind ihr Raumschiff und mit ihm die älteste Tochter Judy in einem blitzschnell erstarrten Eissee festgefroren, die Mutter ist schwer verletzt und niemand weiß, wo genau sie da eigentlich gelandet sind.

Die Netflix-Serie Lost in Space ist schon der dritte Versuch, das Original von 1965 wiederzubeleben. Damals wurde eine Vorzeigefamilie namens Robinson in Raumanzügen, die verdächtig nach Alufolie aussahen, ins Weltall geschossen. Danach dauerte es 30 Jahre, bis die Robinsons noch einmal abheben durften. Das Remake als Kinofilm scheiterte dann 1998 an der eigenen Fantasielosigkeit. Ein Fernsehremake schaffte es wenige Jahre später nicht mal zum Drehstart, obwohl die Kulisse schon gebaut und die Darsteller gecastet waren. Für einen dritten Startversuch stehen die Sterne nicht unbedingt besser: Hunderte neue Serien sind auch für dieses Jahr angekündigt und viele kommen über die erste Staffel nicht mehr hinaus. Netflix scheint aber großes Vertrauen ins Science-Fiction-Genre zu haben, fast monatlich gibt es bei dem Streamingdienst inzwischen neue Weltraumgeschichten zu sehen. Vieles davon kann man sich sparen, Lost in Space gehört aber, trotz früherer Bruchlandungen des Franchise, zu den besten neuen Vertreter des Genres.

Das beginnt schon damit, dass die Robinsons nicht so werbetauglich sind wie in der alten Serie, sondern eine zeitgemäße Patchwork-Familie. Die Eltern John (Toby Stephens) und Maureen (Molly Parker aus House of Cards) sind nur noch mit viel gutem Willen ein Paar, Judy, Maureens superschlaue Tochter aus erster Ehe, steht im ständigen Konkurrenzkampf mit ihrer frechen Schwester Penny, und der Kleinste, Will, kann eigentlich mit der ganzen Weltraumexpedition nicht richtig mithalten, ist aber trotzdem dabei. Dafür hat er einen coolen Roboter, der aber alles andere als harmlos zu sein scheint.

Die Serie gibt solchen Jungs-Fantasien von Roboterfreunden genauso Raum wie den Teenagerflirts der Schwestern oder der eigentlich gescheiterten Beziehung der Eltern. Auf dem fremden Planeten liegen auch Gletscher, Wüsten und Urwälder nur wenige Gehminuten voneinander entfernt. Die Suche nach einer neuen Heimat ist eine Frage nach der Zukunft - der Gemeinschaft und der eigenen. "Anna Karenina" wird oft für ein Liebes- und Familienroman gehalten, tatsächlich geht es über viele hundert Seite um Fragen des Sozialismus, die aber von der kleinen Welt der Familie nicht zu trennen sind. In den Sechzigern sprach aus Lost in Space, wenn von dem Atomantrieb des Raumschiffs geraunt wurde, noch der Zukunftsoptimismus des frühen Raumfahrtzeitalters. Im Remake erfährt man in Rückblenden nebenbei, dass die Erde immer unbewohnbarer geworden ist. In den Straßen toben Staubstürme, die das Atmen schwer machen, und der Vater wird als Soldat in immer neue, nicht genau definierte Kampfeinsätze geschickt. Lost in Space träumt heute nicht mehr von den Versprechen der Zukunft, sondern von der Möglichkeit eines Neuanfangs.

Lost in Space, bei Netflix.

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