Science-Fiction-Serie "Travelers":Zurück aus der Zukunft

Zu wenig Platz für Probleme: Die Serie "Travelers".

Zu wenig Platz für Probleme: Die Zeitreisenden aus der Serie "Travelers".

(Foto: Jeff Weddell/Netflix)

In "Travelers" schlüpfen Zeitreisende in die Körper von dem Tode geweihten Menschen, um die Apokalypse abzuwenden. Doch den interessanten Fragen weicht die Serie aus.

Von Nicolas Freund

Früher war nicht alles besser. Aber manches. Zum Beispiel Science-Fiction-Serien. Bei Netflix kann jetzt Travelers gestreamt werden, die neue Serie von Brad Wright. Der war seit den Neunzigern Erfinder, Autor und Produzent der Serie Stargate und ihrer vielen Ableger.

In mehr als 200 Folgen schickte er Richard Dean Anderson, der da schon eine Karriere als Bastler MacGyver hinter sich hatte, durch einen riesigen Aluminiumring, das Stargate, auf fremde Planeten, um gegen Außerirdische zu kämpfen, die antiken Ägyptern verblüffend ähnlich sahen.

Das Konzept war dermaßen erfolgreich, dass es Stargate auf 17 Staffeln mit mehr als 350 Episoden gebracht hat. Der letzte Ableger, Stargate Universe, wurde 2011 jedoch nach nur zwei Staffeln abgesetzt.

Auch die letzte Serie des großen Konkurrenten Star Trek wurde schon 2005 eingestellt. Kein Fernsehformat hat seitdem die Nachfolge angetreten. Science-Fiction scheint als einziges Genre nicht vom Serienhype der letzten Jahre zu profitieren.

Dabei passt Science-Fiction eigentlich sehr gut zum Format der TV-Serie. In dem bekannten Setting und mit dem vertrauten Personal einer Serie lassen sich leicht alle möglichen abstrakten philosophischen Fragen durchspielen, ohne Rücksicht auf die Einführung von Charakteren oder, wenn man das Ganze gleich auf ein Raumschiff verlegt, auf zu viel Realismus nehmen zu müssen.

Science-Fiction-Serien spielen heute nicht mehr im Raumschiff, sondern in der Gegenwart

Die Serien, die in den letzten Jahren erfolgreich waren, funktionieren aber nicht mehr nach der Logik der in sich abgeschlossenen Episode, an deren Ende ein dem Zuschauer vertrauter Status quo wiederhergestellt wird.

Über mehrere Staffeln entwickeln Serien wie The Walking Dead Dutzende Charaktere und weitverzweigte Handlungsstränge. Ganz ohne fremde Planeten und Sternentore. Denn wenn Helden und Handlungen über viele Folgen entwickelt werden können und bis zum Abspann einer Folge nicht wieder alles so sein muss wie in der ersten Minute, dann ist es auch hier einfacher, den Zuschauer an komplexere ethische oder philosophische Fragen heranzuführen.

Und das Weglassen von schrumpeligen Außerirdischen und Raumschiffen hat dazu noch den Vorteil, dass ein großer Teil der Zuschauer, die mit solchen Dingen gar nichts anfangen können, nicht von vorneherein abgeschreckt wird.

Geheime Missionen, um die böse Zukunft zu verhindern

Science-Fiction müsste heute deshalb eine Nummer größer denken. In Staffeln statt in Episoden. Die neuen TV-Serien wie Travelers oder die Marvel-Serien haben aber eine andere Überlebensstrategie entwickelt: Sie spielen in der Gegenwart, am besten irgendwo in Nordamerika, und verstecken alle Sci-Fi-Elemente.

Wer kurz reinschaut, merkt erst nicht, dass er es mit Superhelden, Zeitreisenden oder Aliens zu tun hat, weil alle gut aussehen, in New York wohnen und Anwälte sind oder so.

Travelers hat dieses Konzept jetzt sogar zum Inhalt gemacht. Weil auch in dieser Serie früher alles besser war, werden darin Menschen aus einer irgendwie postapokalyptischen Zukunft in die Gegenwart, direkt in den Körper von Menschen geschickt, die ohnehin bald sterben würden.

Hier angekommen, sollen diese Reisenden dann geheime Missionen durchführen, um die böse Zukunft, aus der sie stammen, zu verhindern. Wenn man etwas überambitionierte Zukunftsmenschen in die Körper von Junkies oder schwererziehbaren Jugendlichen schickt, gibt es aber natürlich Probleme. So viele, dass man daraus eine ganze TV-Serie machen kann.

Diese Probleme sind viel interessanter als die einfallslosen Geheimmissionen. Leider gibt die Serie ihnen nicht viel Raum, sie weicht den interessantesten Fragen sogar aus: Wie sieht diese schlimme Zukunft aus? Was sind das für Menschen, die sich mal schnell in einen fremden Körper transferieren lassen? Ist es in Ordnung, einen Menschen zu "löschen", um andere zu retten?

Es fehlt der Mut, schwierige Fragen zu stellen

Das spielt alles keine Rolle, in den meisten Folgen geht es um Action, glattgebügelt und klischeehaft, wie fürs Vorabendprogramm.

Vielleicht gehört das auch zum Konzept dieser Serien, die sich nichts trauen, erst recht nicht, schwierige Fragen zu stellen. Vielleicht denken die Produzenten, man mute dem Zuschauer zu viel zu, wenn man ihn nicht mit den vertrauten Waffen, Bomben und Soldaten ruhigstellt, sondern mit einer alleinerziehenden Mutter konfrontiert oder der Ärztin aus der Zukunft, die sich plötzlich in dem Leben einer gerade noch geistig Behinderten wiederfindet.

Die Serie spricht solche Themen an, aber nur wenn es die Handlung unbedingt erfordert. Dabei sind diese Schicksale wesentlich spannender als die Sorge um eine vage Zukunftswelt. Denn ausgerechnet die Science-Fiction ist das Langweiligste an Travelers.

Travelers, abrufbar bei Netflix.

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