Schwache Verkaufszahlen beim "Focus":Bittere Enttäuschung

Während der "Spiegel" mit Wikileaks-Enthüllungen aufwartete, floppte der "Focus" mit einer Story zum Klimawandel. Das sorgt verlagsintern für Diskussionsstoff.

Lisa Priller-Gebhardt

Die Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente haben nicht nur in den USA heftige Erschütterungen und Unruhe ausgelöst, sogar bis ins Berliner Büro von Vize-Kanzler Guido Westerwelle sind die Wellen gedrungen.

focus eisbär

Nicht gerade ein Verkaufsschlager: Die "Focus"-Ausgabe über mögliche Vorzüge des Klimawandels.

Auch in München blieben die Veröffentlichungen nicht ohne Folgen. Wenn auch aus anderem Grund. Dass nicht Focus, sondern das Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel von Wikileaks-Chef Julian Assange auserkoren wurde, das brisante Material zu veröffentlichen, hat der Münchner Konkurrenz einen heftigen Schlag erteilt.

Denn just in jener Woche kam Focus mit dem Titel "Prima Klima" an den Kiosk - eine Geschichte über die positiven Auswirkungen der Erderwärmung.

So hat man sich vermutlich die Umsetzung des von Print-Vorstand Philipp Welte abgegebenen Versprechens, der Focus wolle sich wieder "ambitioniert und kämpferisch dem publizistischen Wettbewerb am Montag stellen", nicht vorgestellt.

Für "Prima Klima" bezogen die Chefredakteure Wolfram Weimer und Uli Baur nicht nur in diversen einschlägigen Umwelt-Blogs Schelte. Aus Verlagskreisen ist zu hören, es habe auch intern heftige Diskussionen um die Story gegeben. Welte habe beide Chefredakteure zum Rapport antreten lassen.

So wurde aus dem Eisbär ein Problembär: Nicht nur, dass von dieser Ausgabe am Kiosk weniger verkauft wurde, als der Spiegel von dem Wikileaks-Heft wegen so hoher Nachfrage zusätzlich drucken musste, nämlich 80.000 Stück. Es manifestiert zusätzlich, was sich schon in den letzten Wochen abzeichnete: Der Focus rutscht weiter ab.

Auch die vorhergehende Ausgabe, der Papst-Titel, verkaufte weit unter den Erwartungen. Das ist besonders bitter, denn der Verlag dürfte für die Interview-Passagen, die er "weltexklusiv" drucken durfte, einiges auf den Tisch gelegt haben.

Die kirchtheoretischen Aussagen von Papst Benedikt im Focus waren jedoch wenig Schlagzeilen-trächtig. Die weit interessanteren Passagen, insbesondere die Lockerung des Kondom-Verbots, hatte sich die Bild gesichert, die ebenfalls Auszüge exklusiv drucken durfte.

Problembär statt Wikileaks

Summa summarum entfernt sich der Focus von der Zielvorgabe, die intern kursiert und bei 130.000 Stück im Einzelverkauf liegen soll, immer weiter. Laut Grosso West soll der Papst-Titel (47/10) nur rund 69.000 Stück verkauft haben, "Prima Klima" lag dem Vernehmen nach bei 60.000 Exemplaren und markiert damit einen historischen Tiefstand. Der Verlag will die Zahlen nicht kommentieren.

Dabei sah es beim Nachrichtenmagazin eigentlich zunächst sehr vielversprechend aus: Nach dem heftigen Personalabbau im Juni und der Einführung der neuen Blattstruktur kehrte der Titel mit Hilfe des neuen Chefredakteurs Wolfram Weimer ins Relevant Set zurück; der Titel wurde im Markt wieder mehr wahrgenommen.

Doch seit einigen Wochen setzt sich in der Redaktion die Erkenntnis durch, dass der Kraftakt, das momentan dümpelnde Dickschiff weiter auf Erfolgskurs zu bringen, doch größer ist als zunächst gedacht. Die Sorge, die Auflage könne noch weiter abrutschen, macht sich breit.

Der Einbruch der letzten Wochen hat den Verlag kalt erwischt: Das bedeutet auch den Stopp der geplanten Werbekampagne. Ein derart selbstbewusstes Auftreten sei jetzt nicht sinnvoll. Schließlich müsse der Focus auch ein Produktversprechen einlösen - und danach sehe es momentan nicht aus.

Verlagsintern hat man sich nun entschlossen, die offiziell angekündigte Image-Kampagne "zum Rebooting der Markenkommunikation" zu verschieben. Schwerpunktmäßig sollte die Kampagne im Januar anlaufen.

Burda bestätigt auf Anfrage, es gebe noch keinen Starttermin; dem Vernehmen nach wurde sie auf Frühjahr geschoben. Bis dahin müssen verschiedene Motive der Kampagne überarbeitet werden, da sie der juristischen Überprüfung nicht standgehalten haben.

Stattdessen schiebt der Verlag eine Konsumentenkampagne an, die den Verkauf pushen soll: Sie wird den 18. Geburtstag des Magazins begleiten, der am 18. Januar stattfindet.

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