"Schulz in the Box" auf Pro Sieben:"Ich bin ein japanischer Nutterich"

Olli Schulz

Hotelzimmer, groß wie Schuhschachteln: Olli Schulz in Tokio.

(Foto: ProSieben)

Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich etwas ganz anderes gemacht hätte? Das ist die Frage, die sich Olli Schulz in seiner neuen Show auf Pro Sieben stellt. Die erste Folge führt ihn nach Tokio, als japanischer Frauenunterhalter hält er jeder Peinlichkeit stand. Und das ist gut so.

Eine TV-Kritik von Felix Reek

Schon die Pilotfolge von Schulz in the Box im August letzten Jahres erbrachte einen Beleg für die besonderen Stärken ihres Moderators. Olli Schulz war damals zu Besuch in der Berliner "Fuck For Forest"-Kommune, die mit Amateurpornofilmen den Regenwald retten will.

Der Singer/Songwriter/Moderator sitzt auf der Bettkante, vor ihm eines der Mitglieder, Tätowierungen ranken sich dessen Hals hinauf. Er erzählt von den Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, wenn in einer WG jeder mit jedem in die Kiste steigt, Regenwald retten hin und her. Und Schulz fragt, ganz unerwartet: "Bist du ein Herzenstyp?" Der Kommunarde antwortet, spontan, ohne nachzudenken: "Mittlerweile nicht mehr. Aber in der Zeit, in der ich's war - war's schon schön." Er verstummt, senkt den Blick, begreift in diesem Moment, was er verloren hat.

Ein ganz kurzer Moment der Wahrhaftigkeit. Im heutigen Fernsehen eine Seltenheit. Auch Schulz erstarrt für einen Augenblick, schaut betreten. Die Kamera weicht zurück und nur wenige Zentimeter neben ihm ist der Chef der Kommune zu sehen, der sich gerade teilnahmslos von einer seiner Mitbewohnerinnen fellationieren lässt.

Es ist dieses Spannungsfeld zwischen Melancholie, Peinlichkeit und Humor, das Olli Schulz auszeichnet - und trotzdem war damals unklar, ob es mit Schulz in the Box weitergehen würde, trotz ordentlicher Quoten. Doch Pro Sieben wagt das Experiment, entschied sich für den in Berlin lebenden Songschreiber, der so gar nicht in die hübsch-brave Moderatorenriege des Senders aus dem Fundus der Musiksender Viva und MTV passen will: An diesem Montag startete die erste Staffel, wenn auch nur mit drei Folgen.

Zum Auftakt führte sie Schulz nach Tokio, wo der Sänger genau dort anknüpfte, wo er im August aufhörte. Der Mann geht dahin, wo es wehtut: in ein japanisches Kuschel-Café. Hier zahlen die Besucher hinter schäbigen Vorhängen für ein bisschen zwischenmenschliche Nähe.

Peinliche Situationen stehen lassen

Eine Dame im Frotteeschlafanzug erscheint, Schulz bettet seinen Kopf in ihren Schoß, sie streicht über seine Haare. Es ist deutlich zu sehen, wie unangenehm ihm das ist. Er bricht ab, erklärt der Kuschelfee, dass so etwas nur mit Liebe funktioniert. Sie schaut betreten, obwohl sie ihn wahrscheinlich nicht einmal versteht. Und die Kamera hält unbarmherzig drauf. Das ist die große Stärke des Olli Schulz: Die peinlichen Situationen als solche stehen zu lassen, bis sie sich auf den Zuschauer übertragen.

Frauen zahlen dafür, dass Männer nett zu ihnen sind

Die folgenden Minuten driftet die Sendung ab, wirkt zerfahren. Doch Einsamkeit bleibt das zentrale Motiv, mit diesem "verrückten Japaner" als Protagonisten. In Hotelzimmern, groß wie Schuhschachteln, auf der belebtesten Kreuzung der Welt, Katzen in Cafés streichelnd, sogar Eltern mietend. Und doch immer allein. Fahrt nimmt Schulz in the Box erst wieder auf, als der Songschreiber eine Ausbildung zum "Host-Boy" beginnt.

Das Geschäftsmodell ist simpel: Reiche japanische Frauen zahlen dafür, dass Männer nett zu ihnen sind. Eine Scheinwelt, in der alles reglementiert ist: wie die Frau begrüßt wird, wie man ihr einen Drink mixt. Nach dem Gang zur Toilettentür wartet der "Host-Boy" sogar an der Tür und reicht ein Erfrischungstuch.

Schulz findet schnell Gefallen an dem neuen Job. Er habe nicht viele Talente, sagt er, aber Business-Frauen bespaßen, das könne er. Offenbar fließe japanisches Nuttenblut in seinen Adern. Er bekennt: "Ich bin ein japanischer Nutterich!"

Einsam wirkt er zum ersten Mal nicht

Mit steigendem Alkoholpegel wird die Stimmung ausgelassener. Schulz ist in Hochform, die Damen scharen sich um ihn. Schon nach wenigen Stunden wiederholen sie seinen dahingelallten Satz "Kannmantrinken". Doch der Sänger zieht die Reißleine. Was passiert, wenn er zu viel intus hat, zeigt er regelmäßig als "Schulzkowski" in der Joko-und-Klaas-Show Circus Halligalli. Mit der Schnapsflasche bewaffnet terrorisiert er Prominente, die das gar nicht lustig finden. Der Zuschauer umso mehr.

Den Japanern erspart er das. Die Kamera fängt ihn wieder in einer Karaoke-Bar ein. Ganz allein, in einer Ecke. Er singt Bob Dylans "Like A Rolling Stone". Aus vollem Hals. Einsam wirkt er nicht. Eher glücklich. "Es gibt irgendwas, das fehlt dir - und das bin ich" heißt es in einem seiner eigenen Lieder. Offenbar fehlte dem deutschen Fernsehen auch etwas - und das war Olli Schulz.

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