Nachruf:Goldene Ära

Früherer Gruner + Jahr-Chef Schulte-Hillen gestorben

Gerd Schulte-Hillen im Jahr 2000 als Vorstandsvorsitzender von Gruner und Jahr.

(Foto: Ulrich Perrey/dpa)

Gerd Schulte-Hillen, der Mann, der den Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr richtig groß gemacht hat, ist nun gestorben.

Von Detlef Esslinger

Wolf Schneider erinnert sich, wie er Ende der Neunziger ein Buch über Gruner + Jahr schrieb, im Auftrag des Verlags, und wie er zuvor den Vorstandschef warnte, es werde höchstens zu 51 Prozent positiv sein. Dessen Antwort: 52 Prozent wären ihm zwar lieber, aber dann wolle er mal liberal sein.

Peter-Matthias Gaede erinnert sich, wie ein Lebensmittelkonzern Anzeigen in zweistelliger Millionenhöhe stornierte, wegen eines Artikels. "Der Vorsitzende amüsierte sich. Er blätterte die Geschichte noch einmal durch, brach in Lachen aus: 'Wenn wir uns solche Geschichten nicht mehr leisten können, dann macht das Geschäft keinen Spaß mehr.'"

Stirbt jemand, ist dies ja immer auch der Tag der Anekdoten über ihn. Eine Pointe des Schicksals ist, dass Gerd Schulte-Hillen ausgerechnet nun am Mittwoch gestorben ist, im Alter von 80 Jahren: Der Mann, der Gruner + Jahr wirklich zur Größe geführt hat, stirbt anderthalb Tage vor der Mitteilung, dass sein Verlag nun kurz und klein gemacht wird. Wolf Schneider, heute 96, leitete lange die Journalistenschule des Verlags. Peter-Matthias Gaede, heute 70, hatte als Chefredakteur von Geo den Vorsitzenden Schulte-Hillen zum Chef. Und wenn man mit dem einen (und noch ein paar weiteren) telefoniert sowie liest, was der andere nun auf der Website des Verlags schreibt, so fällt auf, dass allen nur das Nobelste einfällt.

Statt Saft gab es in den Redaktionen Wasser, schließlich wollte er investieren

1981 wurde Schulte-Hillen Vorstandschef, und Schneider erzählt, der Neue habe den Redaktionen mitgeteilt, das Standardgetränk im Kühlschrank sei künftig nicht mehr Saft, sondern Wasser. Schneider meint das positiv: Schulte-Hillen sparte, wo er sparen konnte, um zu investieren, wo er investieren konnte. Er hatte Maschinenbau in Aachen studiert, fing dann als Assistent des Bertelsmann-Eigners Reinhard Mohn an; in den Siebzigerjahren baute, sanierte und kaufte er Druckereien für ihn, bevor Mohn ihm dann die Leitung der Tochter Gruner + Jahr antrug. "Ein guter Drucker", so berichtet Gaede, soll ein Großer in der Hamburger Medienwelt über den neuen Kollegen gesagt haben; es war ausdrücklich abfällig gemeint. Der Lästerer sollte sich wundern. Gruner + Jahr hatte damals 13 Blätter im Inland und acht im Ausland. Als Schulte-Hillen im Jahr 2000 ausschied - mit 60 Jahren, wie damals im Bertelsmann-Konzern üblich -, waren es 34 im Inland und 50 im Ausland. Den Gewinn hatte er verzehnfacht. Gruner + Jahr, respektive was davon übrig ist, verdankt ihm seine goldene Ära.

Gerd Schulte-Hillen wirkte noch ein paar Jahre als Aufsichtsrat im Bertelsmann-Reich, zerstritt sich dann vorübergehend mit den Mohns und machte eine kleine Unternehmensberatung auf, bis es ihm seit einigen Jahren nicht mehr so gut ging. Wolf Schneider sagt noch: "Er war vermutlich der Angenehmste unter den Tüchtigen, und der Tüchtigste unter den Angenehmen."

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