Süddeutsche Zeitung

Schmonzette:Gemeinsame Sache

Was, wenn das Liebesleben jenseits der vierzig abkühlt? Degeto rät zum "Seitensprung mit Freunden".

Von Claudia Tieschky

Es gibt Dinge, über die lässt sich selbst in unserer modernen Zeit nur mit viel Überwindung sprechen. Zum Beispiel über Filme, in denen die ARD auf einmal ganz entschlossen anders sein will als ihr Image. Also wenn sie die typischerweise im bürgerlichen Wohlstandsmilieu angesiedelte Degeto-Komödie plötzlich ins kecke Fach erweitert und am Samstag zur besten Sendezeit das Thema Seitensprung, nun ja, auf den Tisch bringt. Auf dem Foto zum Film sind vier Menschen ohne Kleider zu sehen, aber sorgfältig aneinandergeschichtet, dass sie auch nicht gleich so nackt aussehen. Sie werfen Blicke in den Stimmungen lüstern, befriedigt und schelmisch, vor allem aber ist dieses menschliche Omelette das Ergebnis von Pärchen-Partnertausch, einer Versuchsanordnung also, die wahrscheinlich das letzte Mal von Erica Jong in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts propagiert wurde, und wie lange das her ist, dazu ist mit ihrem neuem Buch alles gesagt, es heißt Fear of Dying. Die Ausgangslage ist also so, dass man aus tiefestem Herzen "Ihhh" rufen möchte.

Natürlich ist es im Prinzip schön, dass die ARD sich aufgeschlossen zeigt und das Problem "sexuelle Langeweile in der Ehe und wie man sie kuriert" behandelt. Und das Thema Untreue im trauten Kreis wäre unter zeitgemäßer Betrachtung eine klassische Story für Neon. Das Problem ist hier aber, dass Handlung und Charaktere in Seitensprung mit Freunden ungefähr über die Tiefe des Werbefernsehens verfügen - auch wenn Caroline Peters, Aglaia Szyszkowitz, Samuel Finzi und Fritz Karl irgendwie eine Ahnung davon geben, dass die Konstellation unter klischeefreieren Umständen, sagen wir auf einer Theaterbühne, eine amüsante Studie über unerfüllte Sehnsüchte hätte werden können.

Die Story geht, in aller Kürze, so: Paul und Marc sind erfolgreiche Chirurgen. Paul und seine Frau Julia führen ein wenig aufregendes Liebesleben, Marc und Vanessa dagegen sind seit einer Weile ganz neu verliebt. Das gut gehütete Geheimnis, das natürlich nicht so gut gehütet wäre, dass Vanessa es Julia nicht auf der Damentoilette erzählen würde: Swingerparty. Julia sehnt sich nach Leidenschaft und möchte mitmachen. Paul findet das absurd. So entsteht die Idee, es einfach im kleinen Kreis zu versuchen. Auch das erweist sich in der Anbahnung als ziemlich heikel, aber dann fließt der Rotwein in die Gläser, das Licht ist gedämpft - und was dann passiert, wäre zwar interessant als Erklärung für die weitere Handlung, aber man sieht es natürlich nicht. Mutmaßlich wird kreuzweise ungeheuer anregend kopuliert, denn am nächsten Morgen hüpfen auch Julia und der skeptische Paul herum wie die Schlümpfe auf der Blumenwiese. War doch ganz einfach! Aber ganz so einfach darf es dann doch nicht sein, es nahen Verwicklung, Krise, Tränen, und am Ende bleibt immer noch Paris. Hoffentlich können sie Französisch.

Seitensprung mit Freunden, ARD, Samstag, 20.15 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2879750
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.