"Schmähgedicht":Erdoğans neuer Vertreter im Fall Böhmermann

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Trennt den Fall von der Person: Erdoğans neuer Anwalt Mustafa Kaplan. (Foto: privat)

Sein Vorgänger hatte wegen Erdoğans Nazi-Vergleichen hingeworfen, jetzt vertritt Mustafa Kaplan den türkischen Präsidenten vor Gericht. Der Kölner Anwalt ist auch am NSU-Prozess beteiligt.

Von Annette Ramelsberger

"Ich trenne den Fall von der Person. Da geht es mir wie einem Arzt, der operiert. Der Arzt konzentriert sich bei der Operation auch ausschließlich auf seine Arbeit. So mache ich das auch." Mustafa Kaplan, Fachanwalt für Strafrecht, wird demnächst einen ganz besonderen Mandanten vertreten: den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Es geht noch immer um dessen Rechtsstreit mit dem deutschen Fernsehsatiriker Jan Böhmermann und das "Schmähgedicht", in dem Böhmermann den Präsidenten mit abstrusen sexuell konnotierten Vorwürfen überzog und ihn in eine Reihe mit Kinderschändern stellte.

Kaplan übernimmt das Mandat, nachdem Erdoğans bisheriger Anwalt Hubertus von Sprenger die Arbeit für Erdoğan eingestellt hatte - weil er dessen Vergleiche der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Naziregime nicht hinnehmen wollte. Er fühlte sich davon persönlich betroffen, weil seine Familie im Widerstand war.

Kaplan sieht das anders. Der überzeugte Kölner, der mit acht Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, sagt: "Erstens bin ich Anwalt. Zweitens bin ich kein Politiker. Ich muss das trennen, bei allen meinen Mandaten - sonst könnte ich gar keinen Fall verteidigen." Und Kaplan ist in erster Linie Strafverteidiger, vertritt also mutmaßliche Straftäter vor Gericht. Demnächst wird er mit dem Landgericht Hamburg korrespondieren - wo der Fall Erdoğan gegen Böhmermann weiterhin bearbeitet wird. Denn so wenig wie Erdoğan will auch Böhmermann aufgeben. Dessen Anwalt Christian Schertz hatte bereits angekündigt, er werde die Einschränkung des Grundrechts auf Meinungs- und Kunstfreiheit nicht akzeptieren.

Kaplan ist als Nebenkläger am NSU-Prozess beteiligt

Das Landgericht Hamburg hatte im Februar entschieden, dass Böhmermann von 24 Versen des "Schmähgedichts" nur noch sechs vortragen darf - die mit real-politischem Bezug. Alle anderen, in denen es um "Klöten" oder einen "Schweinefurz" geht, sind verboten.

Kaplan sagt, er habe die Sendung von Böhmermann gesehen und schon damals gedacht, da werde eine Grenze überschritten. "Satire darf eben nicht alles", sagt er. Es gehe um den Streit von zwei Grundrechtsnormen - der Kunstfreiheit und der Menschenwürde. Und die gelte nun mal auch für Erdoğan.

Der 49-Jährige vertritt im NSU-Prozess seit vier Jahren einen Verletzten des Nagelbombenanschlags aus der Kölner Keupstraße, allerdings sehr zurückhaltend. Ihm widerstrebe es, sich als Nebenkläger in den Vordergrund zu spielen. Für seinen Mandanten sei wichtig, dass der Prozess zügig zu einem Ergebnis komme.

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