Skandal um Ex-RBB-Chefin:Abberufung für Patricia Schlesinger?

Skandal um Ex-RBB-Chefin: Am Sitz des Senders an der Masurenallee kommt an diesem Montag um 16 Uhr der Rundfunkrat des Senders zusammen.

Am Sitz des Senders an der Masurenallee kommt an diesem Montag um 16 Uhr der Rundfunkrat des Senders zusammen.

(Foto: Carsten Koall/dpa)

Der Rundfunkrat will am Montagnachmittag entscheiden. Schlesingers Anwalt widerspricht Vorwürfen zu Abendessen-Abrechnungen.

Von Claudia Tieschky

Im Skandal um Patricia Schlesinger will der Rundfunkrat des RBB bei seiner Sitzung am Montagnachmittag die endgültige Trennung von der Ex-Intendantin vollziehen - per Vertragsauflösung oder Abberufung. Für eine Abberufung ist in dem 30-köpfigen Aufsichtsgremium eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Der Druck auf die Mitglieder ist hoch, nachdem Bild und die ARD-Tagesschau bereits am Sonntag von einer geplanten Abberufung berichtet hatten. Ein Antrag auf sofortige Abberufung liegt den Rundfunkratsmitglieder offenbar zur Abstimmung vor. Schlesinger hatte vor einer Woche ihre vorzeitig Vertragsauflösung angeboten. Die Abberufung würde Abfindungsverhandlungen überflüssig machen und wäre in der Öffentlichkeit einfacher zu vermitteln. Allerdings müsste sie auch stichhaltig begründet sein. Eine interessante Frage ist auch, wie es mit Schlesingers Geschäftsleitung weitergeht, ob dem Sender seinen vielbeschworenen Neuanfang also mit der alten Führungsspitze, nur eben ohne die Intendantin, beginnen soll. Der Redaktionsausschuss des Sender fordert inzwischen zudem die Offenlegung sämtlicher Boni im Haus.

Als Hebel für die Abberufung Schlesingers sehen die Antragssteller offenbar die Abrechnungen von insgesamt neun Abendessen bei der Intendantin zu Hause, die sich Schlesinger als dienstlich veranlasst vom RBB bezahlen ließ. Der RBB hatte eine Fachanwältin mit der Einschätzung zitiert, eine betrügerische Abrechnung könne eine fristlose Kündigung nach sich ziehen. Eine fristlose Kündigung allerdings kann den Statuten zufolge nur der RBB-Verwaltungsrat aussprechen. Schlesinger selbst bestreitet, dass sie den Sender getäuscht habe. Sie hatte die Treffen in ihrer Privatwohnung nach Aufkommen der Vorwürfe als Hintergrundgespräche mit Multiplikatoren in der Stadt gerechtfertigt. Barbara Slowik, die Polizeipräsidentin von Berlin, hatte vergangene Woche mitteilen lassen, dass sie sich an ein rein privates Treffen erinnere. Hätte sie gewusst, dass das Essen dem RBB in Rechnung gestellt würde, wäre sie selbst dafür aufgekommen, erklärte Slowik. Auch der Vorstandsvorsitzende der Charité, Heyo K. Kroemer, erinnert sich an einen privaten Termin. Der RBB äußert sich zu den Abendessen derzeit nicht. Ein RBB-Rechercheteam hatte aber nach eigenen Angaben Einsicht in Unterlagen, "die den Verdacht des Betrugs bestätigen".

"Zu ihren Kernaufgaben gehörte es, das Netzwerk des RBB zu ergänzen"

Schlesingers Anwalt jedenfalls will in Slowiks Erinnerung keinen Widerspruch zur Darstellung der Ex-Intendantin erkennen. Er teilte der SZ mit, alle als dienstlich deklarierten Essen Schlesingers seien auch dienstlich gewesen: "Zu ihren Kernaufgaben gehörte es, das Netzwerk des RBB zu ergänzen." Bei ihrem Dienstantritt habe man ihr von allen Seiten erklärt, dass der Sender nicht gut in Wirtschaft, Politik und Verwaltung des Sendegebiets verankert sei. Durch die "Kontaktaufnahme zu ihrerseits wiederum gut vernetzten Repräsentanten aus diesen Bereichen" habe Schlesinger das geändert. Im Übrigen könnten solche "Austauschformate mit Repräsentanten verschiedener Bereiche" aus Perspektive der Gäste durchaus einen "rein privaten oder gemischten Charakter haben". Es sei nichts Ungewöhnliches, dass solche Veranstaltungen einen "Doppelcharakter" haben könnten.

Skandal um Ex-RBB-Chefin: Entscheidender Tag für Patricia Schlesinger.

Entscheidender Tag für Patricia Schlesinger.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Bettina Reitz, die Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film in München und früher Fernsehproduzentin sowie BR-Filmchefin, die aufh der Gästeliste stand, äußerte sich auf SZ-Anfrage weniger eindeutig: Treffen zwischen ihr und Schlesinger seien wegen der ähnlichen beruflichen Ausrichtung "immer eine Mischung aus beruflichen wie privaten Themen". Das Bundespräsidialamt berichtete der SZ auf Anfrage von zumindest einem dienstlichen Abendessen von Präsidiumschef Stephan Steinlein bei Frau Schlesinger. Zu dem Treffen, auf das sich Slowik und Kroemer bezögen, lägen keine Informationen vor.

Weitere Fragen warf die Berlinale-Chefin Mariette Rissenbeek auf; die RBB-Rechercheure erklären mit Verweis auf Unterlagen, Schlesinger habe dem Sender ein Essen mit Rissenbeek und Begleitung in Rechnung gestellt. Die Berlinale-Chefin erklärte allerdings nun, ohne Begleitung bei Schlesinger und ihrem Ehemann gegessen zu haben. Schlesingers Anwalt sprach auf SZ-Anfrage dazu von einem Fehler in der Abrechnung, der Schlesinger leider nicht aufgefallen sei. Die Zahl der abgerechneten Essen sei jedoch "unter dem Strich korrekt"; es habe drei Essen gegeben und drei Essen seien abgerechnet worden, dem Sender sei kein Schaden entstanden.

Tom Buhrow ist sauer, fährt aber auch einen Wagen mit Massagesitzen

Schlesinger wird seit den Enthüllungen des Wirtschaftsmagazins Business Insider die Vermischung privater und beruflicher Interessen vorgeworfen; für öffentliche Empörung sorgten auch ein Oberklasse-Dienstwagen mit Massagesitzen, für den ein hoher Rabatt von der Herstellerfirma in Anspruch genommen wurde, außerdem Details über den teuren Ausbau der Chefetage im Sender sowie Boni an die Intendantin. Schlesinger hatte daraufhin zunächst den ARD-Vorsitz abgegeben und wenige Tages später ihren Rückzug als RBB-Intendantin erklärt. Das Magazin legte außerdem fragwürdige Beraterverträge offen, bei denen der vorige Woche zurückgetretene Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf sowie Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl eine Rolle spielen. Wolf will sich derzeit nicht äußern. Spörls Anwalt erklärt, dass sein Mandant nichts von unrechtmäßigen Handlungen Dritter gewusst habe. Daraus ergebe sich, "dass er auch selbst keine unrechtmäßigen Handlungen begangen hat". Gegen Wolf, Schlesinger und Spörl ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft nach eigenen Angaben wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsnahme.

WDR-Intendant Tom Buhrow, der nach Schlesingers Rückzug derzeit den ARD-Vorsitz führt, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir sind alle in der ARD inzwischen enttäuscht und auch wütend." Alle Sender und Mitarbeiter, die gute Arbeit leisteten, stünden jetzt unter Generalverdacht. Buhrow räumte aber ein, dass auch er einen Dienstwagen mit Massagesitzen nutze.

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