Süddeutsche Zeitung

Schlecht verständliche Krimis:Wo bleibt der gute Ton im "Tatort"?

  • Immer wieder lässt der Ton in den den ARD-Krimis zu wünschen übrig, Zuschauer beschweren sich.
  • Aber woran liegt das? Fünf Gründe für die mangelnde Verständlichkeit bei Tatort und Polizeiruf.

Von Carolin Gasteiger

Um Til Schweiger geht es in diesem Text nicht. Auch wenn er zu den Tatort-Kommissaren zählt, die man am schlechtesten versteht. Aber Schweiger, bei dem Nuscheln zum schauspielerischen Standardrepertoire gehört, ist nur eine Ausprägung eines inzwischen lange andauernden Problems: des schlechten Tons in den ARD-Krimis.

Immer wieder beschweren sich Zuschauer über die mangelnde Tonqualität, etwa beim Münchner Polizeiruf "Der Tod macht Engel aus uns allen": "Dramaturgie top, Sound flop", hieß es bei Spiegel Online. Und dass die Frankfurter Allgemeine einen Online-Text über den Weimarer Tatort "Der irre Iwan" mit "Nischsonuscheln" überschrieb, lag an den schwer zu verstehenden Kommissaren Nora Tschirner und Christian Ulmen. Blickt man auf die nun fast vergangene Krimisaison (von Montag an sind Tatort und Polizeiruf in der Sommerpause), fielen auch der Münchner Fall "Mia san jetz da wo's weh tut", der Freiburger Tatort "Fünf Minuten Himmel" und der jüngste Polizeiruf "Endstation" tontechnisch beim Publikum durch:

Wenn wir über guten Ton reden, geht es um Verständlichkeit. Und dass diese zu wünschen übrig lässt, kann mehrere Ursachen haben. Auf Anfrage teilt die ARD mit, diese reichten "von den persönlichen Gehöreigenschaften über die technische Ausstattung bis hin zu den akustischen Gegebenheiten des Raums". Der Verweis auf "persönliche Gehöreigenschaften" - also den vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt des Publikums - ist naheliegend: Wer schon im Alltag schlecht hört, tut sich auch beim Tatort schwer. Aber schwerhörige Senioren sind nicht diejenigen, die sich im Netz beschweren. Warum also hapert es am Ton? Fünf Gründe für die mangelnde Verständlichkeit.

Unterschiedlich gute Endgeräte

Tatorte und Polizeirufe - nicht nur die Fälle von Til Schweiger - nähern sich immer mehr Kinoproduktionen an, auch was den Sound betrifft. Nicht berücksichtigt wird dabei, dass die meisten Zuschauer die ARD-Krimis eben nicht im Kino, sondern zuhause sehen. Und dort reicht die Bandbreite der Endgeräte vom modernen Flachbildfernseher über mickrige Röhrenglotzen bis hin zu Laptop oder gar Handy. Was auf der Soundanlage eines Kinos bestens rüberkommt, kann auf dem Laptop undeutlich klingen. Den Sound für alle möglichen Endgeräte gleichwertig aufzubereiten, ist jedoch aufwändig. Und bei eng getakteten und straff budgetierten Produktionen fallen gerade diese Nachbesserungen, ebenso wie das Nachsynchronisieren, hinten runter.

Schlechte Lautsprecher beim Flachbildfernseher

Schicke Flachbildfernseher liefern nicht automatisch auch besseren Klang: In den Geräten ist für großformatige Lautsprecher kein Platz. Manche Zuschauer helfen mit sogenannten Soundbars nach, die an den Fernseher angeschlossen werden. "Das hilft zwar beim Klang, aber nicht bei der Verständlichkeit", sagt Ulrich Hoppe von der Audiologischen Abteilung der Universitätsklinik Erlangen, der sich mit Tonqualität im Fernsehen beschäftigt. Die Filme klängen dann nur voluminöser, besser verständlich würden die Akteure deswegen aber nicht.

Wenn die Protagonisten nicht deutlich sprechen, hilft auch der beste Klang nichts. Das wissen auch die ARD-Verantwortlichen. Neben der technischen Konfiguration seien auch "dramaturgische Aspekte" für das akustische Ergebnis verantwortlich, teilt der Sender weiter mit. Von "authentisch-umgangssprachlichen Dialogen" ist die Rede, von "realistischen Milieuschilderungen" und "dialektgefärbten Gesprächen".

Authentizität vor Verständlichkeit

Hoppe findet, dass die Akteure immer undeutlicher sprechen. "Anscheinend wird da nicht mehr so viel Wert drauf gelegt." Beim Sender heißt es: "Wenn Regisseure wie im Theater sprechen lassen, sind die Dialoge zwar verständlicher, dafür leidet unter Umständen die Glaubwürdigkeit der Inszenierung." Wie Dialoge gestaltet würden, sei Ausdruck künstlerischer Freiheit. Das kann aber auch schief gehen. Im Münchner Polizeiruf "Der Tod macht Engel aus uns allen" aus dem Jahr 2013 waren die Schauspieler kaum zu verstehen. Der Bayerische Rundfunk rechtfertigte die Tonprobleme so: Die Schauspieler hätten ohne konkrete Vorgaben "ihren improvisatorischen Spielimpulsen spontaner folgen" können. Allerdings mussten Ton und Kamera entsprechend spontan reagieren.

Mehr musikalische Untermalung

Zusätzlich erschweren Hintergrundgeräusche die Verständlichkeit. "In den Krimis werden die Dialoge immer häufiger mit Musik unterlegt", sagt Hoppe. Der Zuschauer mag dann zwar einen fein gestalteten Tatort sehen, aber die Handlung versteht er deswegen nicht besser. Auffallend sei der Unterschied, so Hoppe, wenn man alte Folgen der ARD-Krimireihe anschaut. Etwa Ausgaben mit Hansjörg Felmy, bei denen eine Person spricht, dann eine kurze Pause erfolgt, erst dann läuft Musik. Das mag zwar gut verständlich sein, aber für die biedere Machart gilt leider: tempi passati.

Aufnahmen im Freien

Früher wurde auch viel mehr im Studio aufgenommen, wo Hintergrundgeräusche ausgeblendet werden können. Inzwischen finden immer mehr Drehs im Freien statt, wo Vögel zwitschern und Bäche oder Wälder rauschen. Auf diese Weise laufen immer mehr unterschiedliche Tonspuren ineinander, die nur schwer zu differenzieren sind. Und das fällt, hier kommen wieder die typischen ARD- und ZDF-Zuschauer ins Spiel, mit zunehmendem Alter immer schwerer. Hoppe nennt das im Fachjargon "Cocktailparty-Hören".

Als Lösung empfiehlt Tonexperte Hoppe, Sprach- und Musikspur getrennt abzumischen. Technisch sei das möglich. Aber die Produzenten müssten sich bewusst dafür entscheiden und von Senderseite unterstützt werden. Danach sieht es bei der ARD eher nicht aus: Dort findet man nicht, dass der Ton generell besser werden müsse. Im jüngsten Weimarer Tatort haben sich Tschirner und Ulmen offenbar zusammengerissen: Auf Twitter gab es Lob für die gute Verständlichkeit:

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3013234
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/jobr/mane
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.